Der Einstieg in OpenSim, Teil 4: Hinaus in die große weite Welt

Gut, wir haben also einen Avatar, wir können ihn steuern, und wir haben ihn fürs erste einigermaßen aufgehübscht. Aber was machen wir damit jetzt?

Ein bißchen von der „großen weiten Welt“ hat man ja schon kennengelernt, als man den Avatar einkleidete. Aber was kann man sonst noch so machen, außer Avatarausstattung zu jagen und damit zu experimentieren?

Die Teleportschilder auf der Landesim sagen einem immer noch wenig. Man könnte da anfangen, auf Entdeckungsreise zu gehen und sich einfach mal im eigenen Grid umzugucken. Oder vielleicht findet man hübsche Ecken auch im Hypergrid, jetzt, wo man weiß, wie das geht. Dann sieht man wenigstens was. Indes, die Erfüllung in OpenSim kann das nicht unbedingt sein, zumal man womöglich noch keinen einzigen Kontakt hat.

Woher bekommt man aber Kontakte? Wie füllt man die eigene Freundesliste auf?

Unter die virtuellen Leute gehen

In Second Life trifft man ziemlich zwangsweise früher oder später Leute, wenn man durch die Gegend läuft – sofern man das nicht in zu obskuren Regionen tut, in die sich so selten Avatare verirren, daß Leute sie als Umkleidekabinen benutzen. Im Grunde tut man das auch in OpenSim, aber sehr viel eher später als früher. Einerseits hat gerade das Hypergrid nur einen Bruchteil der Nutzerzahl von Second Life, andererseits aber auch ein Vielfaches der Landfläche. Die Bevölkerungsdichte ist im Hypergrid also viel, viel geringer als in Second Life.

Nun kann man jeden x-beliebigen Avatar, der einem über den Weg läuft, anquatschen und versuchen, sofort „Freundschaft zu schließen“. Damit drückt man aber nur aus, daß man zum einen ein Newbie und zum anderen möglicherweise verzweifelt ist. Viele OpenSim-Nutzer schließen auch ganz einfach keine Freundschaft mit Leuten, die sie noch gar nicht kennen, weil sie sie erst vor ein paar Sekunden zum ersten Mal getroffen haben. Ist ja auch nachzuvollziehen.

Es gibt einen eleganteren Weg. Und das sind Veranstaltungen. Viele Grids haben eigene wöchentliche Veranstaltungen an mindestens einem Wochentag. Hier liegen übrigens noch zwei Vorteile deutschsprachiger Grids: Veranstaltungen finden abends nach deutscher Zeit statt – und nicht abends in irgendeiner amerikanischen Zeitzone, was in Deutschland mitten in der Nacht wäre. Und die Kommunikation während der Veranstaltung ist auf Deutsch, was von Vorteil ist für diejenigen, die mit dem Englischen ihre Probleme haben.

Sofern also das eigene Grid so etwas zu bieten hat, sollte man sich da blicken lassen, sofern einen das angekündigte Thema der Veranstaltung nicht zu sehr abstößt. Die Chancen sind groß, daß sich auch die Gridadministration da aufhält. Die sollte es schnell merken, daß da ein Neuzugang im eigenen Grid ist. So kommt man mit denen in Kontakt. Im allgemeinen haben Grids auch Gruppen, über die Nachrichten an die Einwohner versandt werden. Gute Gridadmins laden einen auch gleich in die jeweilige Gruppe des eigenen Grid ein.

Auch sonst kann man bei Veranstaltungen mit Leuten in Kontakt kommen, wobei das von Veranstaltung zu Veranstaltung unterschiedlich ist. Es gibt solche, wo Leute den lokalen Chat praktisch nur mit Gesten zuballern und sonst überhaupt nichts zu sagen haben. Es gibt aber auch solche, wo die Leute gern und viel im lokalen Chat miteinander reden. Wenn man da mitreden kann, ohne den Leuten auf den Keks zu gehen, erntet man Sympathiepunkte, Bekanntschaften und eventuell auch Freundschaften.

Wenn das eigene Grid keine Veranstaltungen zu bieten hat, geht man woanders auf Veranstaltungen. Gerade im deutschsprachigen Raum werden die aber nicht alle zentral an einem Ort angekündigt. Neben OpenSimWorld, dem „Nervenzentrum“ des Hypergrid, lohnt sich der Blick in die Foren Gridtalk und Silberwelten.

Gerade anfangs sollte man dann die Veranstaltungen auch mal wechseln. Zum einen sieht man so, was einem zusagt und was nicht. Es gibt ja unterschiedliche Grundkonzepte, es gibt solche und solche DJs, und jeder hat andere Präferenzen bezüglich der Größe einer Party. Zum anderen erhöht das die Chance, mal die Administration des eigenen Heimatgrid zu treffen und kennenzulernen, und man trifft generell mehr Leute.

Noch einmal: Auf gar keinen Fall sollte man irgendwelche Leute, die man zum ersten Mal sieht und noch gar nicht kennt, mit Freundschaftsanfragen bombardieren. Also nicht auf einer Party einfach mal Freundschaftsanfragen an alle Anwesenden senden. OpenSim ist nicht Facebook, wo es darum geht, möglichst viele „Freunde“ zu haben. Vielleicht könnten einige wenige anbeißen. Um so mehr Leuten wird das aber suspekt sein, und man wird es später um so schwerer mit ihnen haben, sollte man sie häufiger auf Veranstaltungen sehen. Wenn man Pech hat, gerät man an einen übervorsichtigen Simbetreiber oder Gridadmin, der einen für dieses Verhalten rauswirft oder gleich ganz sperrt. Doch, das passiert wirklich.

Am Anfang lautet die Losung also: Warte, bis die Leute auf dich zukommen. Verständlich, wenn du ungeduldig bist und Freundschaften schließen willst. Aber im wahren Leben läuft man ja auch nicht herum und fragt irgendwelche Leute, ob sie mit einem befreundet sein wollen. Schon gar nicht wollen die das dann auch.

Freundschaften in virtuellen Welten kann man nicht forcieren. Man muß sie sich entwickeln lassen.

Irgendwann bekommt man auch ein Gespür dafür, an welchen Freundschaften es sich festzuhalten lohnt. Man muß nicht auf ewig mit jedem befreundet sein. Klar, wenn man sich gut versteht, sollte das das Ziel sein. Aber wenn sich Leute als – mit Verlaub – Arschlöcher erweisen, und derer gibt es genug im Hypergrid, dann sollte man zu ihnen auf Distanz gehen, egal, wie lange man sie schon kennt. Gleichzeitig sollte man es aber auch vermeiden, sich in irgendwelchen Zickenkriegen oder Grabenkämpfen gänzlich von einer Seite vereinnahmen zu lassen. Dies nur als Vorwarnung.

Wenn einer eine Reise tut …

… dann kann er was erleben. Das gilt genauso für virtuelle Reisen. Sofern man kann, sollte man sich auch dafür Zeit nehmen. Man lernt Land und Leute kennen. Das heißt, die Leute habe ich oben ja schon abgedeckt, aber auch das Land sollte nicht unterschätzt werden. Eins vorab: Nicht vergessen, an interessanten Orten Landmarken anzulegen, damit man sie wiederfindet!

Sollte man noch nicht wissen, wohin man eigentlich gehen soll: Man könnte sich beispielsweise im eigenen Heimatgrid umsehen. Einige Grids haben am Landeplatz auf der Willkommenssim einige Teleporter für Ziele im Grid.

Fürs Hypergrid, also für Ziele außerhalb des eigenen Grid, eignet sich das oben schon erwähnte OpenSimWorld hervorragend. Da gibt es auch Kategorien, die aber von Simbetreibern nicht immer richtig eingestellt werden. Auch die Ratings sind nicht immer verläßlich, mal ganz davon abgesehen, daß gefühlt jedes Grid die Ratings unterschiedlich definiert und manche Simbetreiber die ihrerseits noch einmal verbiegen. Wenn man von Second Life kommt, darf man sich auf keinen Fall blindlings auf die dortigen Ratings verlassen.

Für diejenigen, die die Ratings noch nicht kennen, hier sehr grobe Beschreibungen:

So, wonach sollte man sich nun umblicken? Die Auswahl ist ja groß.

Nun, man kann natürlich durch schöne Landschaften flanieren. Oder man sucht sich noch mehr Partys.

… dann kann er was „einkaufen“

Oder man sucht nach Freebies.

Kompletten Neueinsteigern sei erklärt: Damit ist im Prinzip alles gemeint, was man sich kopieren oder kostenlos „kaufen“ kann, ob das jetzt Kleidung und Avatarausstattung ist oder Mobiliar oder was auch immer. Der Begriff kommt aus Second Life, wo es davon nicht überragend viel gibt und meist auch in weit geringerer Qualität als die Unmengen an Sachen, für die man bezahlen muß.

Second-Life-Umsteigern sei erklärt: In OpenSim, vor allem im Hypergrid, gibt es kaum etwas, was man für Geld kaufen kann. Freebies sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Sehr viele Grids haben überhaupt kein Bezahlsystem, und die allermeisten Nutzer – vor allem europäische Nutzer – haben noch nie Geld in OpenSim verwendet, abgesehen vielleicht von grideigenem „Spielgeld“, das man nicht mit Echtgeld kaufen kann.

Generell sieht Shopping in OpenSim ganz anders aus als in Second Life. Es gibt keinen allgemeinen Marketplace für ganz OpenSim, nicht mal fürs Hypergrid. Kitely, das wichtigste kommerzielle Grid, hat einen eigenen, aber den kann man nur nutzen, wenn man einen Avatar in Kitely hat, und viele Sachen aus dem Kitely Market lassen sich nicht einmal nach außerhalb von Kitely mitnehmen. Es gibt aber auch Läden in-world, in denen es Bezahlware gibt. Freebies gibt es aber viel, viel, viel mehr.

Einige Grids haben eigene Online-Währungen, die nur in diesem einen Grid gültig sind. Dazu gibt es zwei gridübergreifende Währungen im Hypergrid. Die eine ist Podex, bei der allerdings das Gridübergreifende immer noch eingeschränkt ist: Man braucht nur noch ein Konto, aber für jedes Grid, das man nutzt, einen separaten Geldbestand. Die andere ist Gloebit, wo man mit demselben Geldbestand in allen teilnehmenden Grids bezahlen kann – wenn Gloebit nicht gerade mal wieder für ein paar Tage oder Wochen down ist. Es ist nämlich seit Monaten sehr unzuverlässig. OpenSim selbst ist an sich unkommerziell und hat daher keine eingebaute gridübergreifende Währung, die man mit Echtgeld kaufen kann.

Ein weiterer Unterschied ist, daß es in Second Life generell so ist, daß man Sachen meist nur bei ihren Schöpfern in deren Läden bekommt. Das gibt es in OpenSim auch, aber vergleichsweise wenig. Und weil sich das eben über hunderte Grids verteilt und viele Content-Ersteller für ihre Läden keinerlei (oder keine adäquate) Werbung machen, kann man da wirklich suchen, oder man stößt nur zufällig drauf.

Statt dessen ist im Hypergrid die Freebie-Sim üblich, also eine ganze Sim, die dem Anbieten von Freebies dient. Einige bieten dabei tatsächlich auch nur Sachen vom Simbetreiber selbst an. Das ist zwar nicht die Regel, aber so fing es an. Ich schätze, das dürfte 2008 gewesen sein, ein Jahr nach dem Start von OpenSim, als Linda Kellie ihre erste eigene Sim, LK-Designs, startete. Damals gab es noch nicht viel, also schuf sie es, alles Mögliche von Kleidung über Möbel und Pflanzen bis hin zu einigen Gebäuden, und packte alles auf eine eigens dafür gestaltete Sim. Die ist dann natürlich nicht vom Inhalt her irgendwie spezialisiert, sondern bietet von allem etwas an.

Schöpfer mit einer solchen Bandbreite, daß es für eine ganze solche Gemischtsim reichte, auf der alles aus einer Hand kam, gab es danach nie wieder – während Linda tatsächlich eine ganze Anzahl an Freebie-Sims gebaut hat, später sogar spezialisierte, weil ihre Contentmengen nicht mehr auf einer Sim unterzubringen waren. Ihre letzte war Clutterfly von 2015, auf der sie erstmals Mesh anbot – noch dazu fast ausschließlich, denn dort gibt es nichts mehr von dem, was noch auf ihren alten Sims zu finden war. Aber auch Clutterfly ist ein Gemischtwarenladen.

Aber wie kommen nun die vielen Freebie-Sims zustande, und woher haben die ihre Waren? Nun, Second-Life-Umsteiger, die sich dort umsehen, werden schnell etwas feststellen: Viel, sehr viel auf diesen Sims kennen sie aus Second Life – und zwar mitunter unter ganz anderen Namen, und noch dazu wird es da gegen Geld angeboten. Um es kurz zu machen: Nein, legal sind diese Sachen nicht in OpenSim. Das meiste, was man auf Freebie-Sims findet, ist geklaut. Wenn das Sacrarium-Logo drauf prangt, ist es sogar schon mindestens zweimal geklaut worden: Die Sacrarium-Leute haben die Sachen eh alle geklaut bzw. klauen lassen, und nachdem sie angefangen hatten, das Zeug nur noch no-transfer anzubieten, hat man eben auch bei ihnen das Rechtesystem umgangen. Überwiegend kopiert sowieso jeder von jedem, so daß es gerade bei den Freebie-Sims der letzten zwei, drei Jahre unterm Strich Wurscht ist, auf welche man geht – sie bieten eh alle so ziemlich dasselbe an.

Generell habe ich mich zum Thema gerade aktuellerer Freebie-Sims in dieser Kolumne schon einmal umfassend ausgelassen. Da erfährt man auch etwas mehr über legalen Content und ein paar von dessen Schöpfern.

Zu erkennen, was legal ist, ist im allgemeinen nicht einfach und bedarf vor allem einer gewissen Erfahrung und eines gewissen Wissensschatzes, denn das Warenangebot im Hypergrid ist trotz allem gigantisch. Erschwerend kommt hinzu, daß häufig auch legale Sachen nicht mehr ihre eigentlichen Schöpfer als ebensolche eingetragen haben, weil irgendjemand irgendwann mal meinte, sich selbst da eintragen zu müssen, oder sich diese Sachen einfach per Copybotting angeeignet hat, das außer bei reinen Prim-Konstruktionen immer den Schöpfereintrag ersetzt. Außerdem haben die meisten OpenSim-Nutzer, darunter auch die meisten Freebie-Store-Betreiber eine Legal-illegal-scheißegal-Attitüde. Wenn also nicht alles in den Läden geklaut ist, hängen legale und illegale Sachen lustig durcheinander an derselben Wand.

Gerade wenn man seinen eigenen Avatar nicht bis in alle Ewigkeit in alte Layer- und Primklamotten stecken will und nach Mesh schielt, weil das schicker ist, kann es allerdings schwierig werden, nur Legales zu verwenden. Das gilt um so mehr, wenn man nicht lange suchen will, denn die guten legalen Sachen sind häufig entweder zu obskur. Oder sie sind nicht praktischerweise in Kisten verpackt, die man an Wände klatschen kann. Oder Freebie-Sim-Betreiber finden, sie sind „zu alt“ oder können qualitativ nicht mit geklauter Bezahlware aus Second Life mithalten. Und gerade für Neulinge ist nicht ersichtlich, was denn jetzt noch legal ist.

Sagen wir mal so: Es ist möglich, einen Avatar auch mit einem Meshbody komplett legal auszustatten. Aber es ist schwierig, bei männlichen Avataren noch mehr als bei weiblichen, für die es sehr viel mehr Kleidung gibt.

Ich habe jetzt hier letztlich nur über Avatarausstattung geschrieben. Anfangs ist das sowieso das, was man am ehesten benötigt, denn außer dem Avatar hat man ja nichts. Für Möbel oder gar andere Simausstattung hat es noch Zeit.

#OpenSim #FürAnfänger #FürSecondLifeUmsteiger #Einstieg