Der Einstieg in OpenSim, Teil 3: Avatargestaltung

Nach Teil 1, in dem es um die Installation des Viewers und das Anlegen eines Avatars ging, und Teil 2, der die Handhabung erklärte, stehen wir jetzt also immer noch mit unserem neuen Avatar in dieser neuen Welt – und vor dem nächsten Problem:

Das Aussehen des Avatars läßt zu wünschen übrig. Oder es ist nicht sonderlich individuell. Oder sowohl als auch.

Bevor man sich darum kümmert, sollte man sich zunächst einen Platz auf der Landesim als Landmarke anzulegen, damit man leicht wieder „nach Hause“ zurück findet. Denn jetzt geht es auf die Reise.

Als nächstes wäre es also angeraten, etwas fürs Aussehen des eigenen Avatars zu tun, ganz besonders, wenn man einfach nur „Ruth“ hat. Heutzutage, im Jahr 2021, stellt das aber besonders komplette Neulinge, die nicht schon vorher in Second Life waren, vor Herausforderungen.

So oder so sollte man etwas erledigen, wenn man eigentlich einen männlichen Avatar hat, aber noch als Ruth herumläuft: Man sucht im Aussehen oder im Inventar nach dem Shape, den man gerade trägt, und bearbeitet den (z. B. per Doppelklick). Im sich dann öffnenden Fenster wird sich ein Schalter finden, mit dem man zwischen Männlein und Weiblein umschalten kann. Den schaltet man auf Männlein, woraufhin Ruth zu Roth wird. Man ist dann zwar immer noch nicht besonders hübsch, aber zumindest ein Stück weit männlicher.

Ruth, der OpenSim-Standardavatar, und die männliche Version Roth Kein schöner Anblick in dieser Zeit: links Ruth, rechts Roth.

Aufbau einer Garderobe

Nun gilt es, an Avatarausstattung und Kleidung zu kommen, um den Avatar zu individualisieren. Das ist nun wirklich nicht schwierig, wenn man sich in die Funktionsweise von OpenSimWorld eingefuchst und das Wort „Freebies“ schon einmal gehört hat. Die populärsten Freebie-Sims bieten aber heutzutage nur noch Meshbodys und zu diesen Meshbodys (mehr oder weniger) passende Meshkleidung an.

Abgesehen davon, daß das allermeiste, was man auf diesen einschlägigen Freebie-Sims findet, im Grunde illegal ist, weil ohne Wissen und Erlaubnis der eigentlichen Ersteller aus Second Life exportiert, ist Avatarausstattung in Mesh ein Thema für zumindest etwas Fortgeschrittene, also z. B. Second-Life-Umsteiger. Für den kompletten Neueinsteiger ist es meines Erachtens zuviel, wenn er das gleich am Anfang auch noch alles lernen soll. Da wäre es zu Anfang eher angeraten, beim Systembody zu bleiben und Layerkleidung zu verwenden, zumal die in der Handhabung intuitiver ist und „Alpha“, also das Verbergen von Teilen des Körpers, idealerweise noch keine Rolle spielt.

Aber, wie gesagt, die aktuellen, „coolen“, „angesagten“ Freebie-Sims sind sich allesamt zu fein, alte Layerkleidung anzubieten, und auch nur auf sehr wenigen Landesims bekommt man sie. Um trotzdem an so etwas zu kommen, braucht es heutzutage häufig regelrecht Detektivarbeit – oder jemanden, der weiß und einem sagen kann, wo man sie bekommt. Also dann:

Ein guter Anfang ist das TanGLe Welcome Center (hop://tanglegrid.net:8002/Tangle Welcome Center). Hier gibt es einiges an Bekleidung und sogar komplett ausgestattete Avatare für Damen und Herren einerseits von Linda Kellie, andererseits aus dem FleepGrid. Eine etwas besser bestückte Alternative ist die OSCC Shopping Zone (hop://cc.opensimulator.org:8002/OSCC Shopping Zone).

Basisavatare aus Skin, Shape, Augen und Haaren sowie weitere Avatarausstattung bekommt man etwa auf verschiedenen Instanzen klassischer Linda-Kellie-Freebie-Sims. Am aktuellsten und übersichtlichsten ist noch das Avatar Center (z. B. hop://hg.osgrid.org:80/archiAvatar oder hop://hg.osgrid.org:80/Free Mall 3) mit je einer Seite für Damen und Herren. Ein bißchen weniger aktuell, ein bißchen weniger umfassend und ein bißchen weniger übersichtlich ist die ältere Shopping Mall 2.0, z. B. in Form der daraus erweiterten TexLand Shopping Mall (hop://texland.no-ip.biz:8002/TexLand Shopping Mall). Die hat aber eingebaute Toiletten; die habe ich in meiner Anfangszeit als Umkleidekabine verwendet. Und die TexLand Shopping Mall hat vor der Tür eine Rezz-Fläche, in der man Boxen auspacken kann; dazu komme ich noch.

Für noch mehr Skins, Shapes, Augen und Haare empfehle ich Klamotto (hop://otterland.de:8002/Klamotto/71/101/23) und da einen Gang zum großen gelben Gebäude in der Südostecke, das mit „Klamotto“ und „Deva Moda“ beschriftet ist. Das Erdgeschoß ist männlichen Avataren gewidmet, das Obergeschoß weiblichen. Da gibt es übrigens auch einiges an Make-up für Damen (und diejenigen Männer, die auf androgyn machen wollen) und sogar Körperbehaarung als Tattoo für Herren. Die Kleidung auf der Sim ist allerdings überwiegend Mesh und (zumindest außerhalb des gelben Gebäudes) überwiegend nicht für den Systemavatar gedacht.

Falls man sich nun fragt, wie man sich die jeweiligen „guten Stücke“ aneignet: Da gibt es zwei Wege.

Ich habe damals lange gerätselt und gesucht, um herauszufinden, wie man an den Inhalt einer Box kommt. Das wurde ja nirgendwo erklärt. Also erkläre ich das jetzt:

Dafür braucht man zunächst einmal einen Ort, wo man die Box ablegen, also „rezzen“ kann. Die TexLand Shopping Mall hat so eine, Klamotto hat davon gleich mehrere größere. Normalerweise darf man ja nicht einfach Objekte irgendwo aufs Land packen; da ist das aber erlaubt. Idealerweise hat das eigene Heimatgrid auch eine Sandbox, wo zumindest Gridbewohner Sachen rezzen dürfen.

Wenn man dann da ist, wo man rezzen darf (Rezzfläche, Sandbox), zieht man die Boxen, die man auspacken will, aus dem Inventar auf den Boden. Wenn sie da dann erschienen sind, klickt man sie mit rechts und wählt „Öffnen“. Damit kommt man an den Inhalt, den man dann ins Inventar auspacken kann. Nicht vergessen, die Boxen hinterher vom Boden wieder zu löschen, also keinen Müll zu hinterlassen. (Sofern die Boxen kopierbar sind, bleiben sie so oder so im Inventar erhalten. Falls nicht, ist das auch egal, denn den Inhalt hat man ja, dann braucht man die Box nicht mehr.)

Die erste Umkleidekabine

Bevor man sich jetzt aber umzieht, sollte man sich einen Ort suchen, an dem man das kann, ohne jemanden zu stören. Vielleicht sagt man selbst: „Das sind doch alles nur Pixel, ist doch egal!“ Aber so sieht das eben nicht jeder, und es gibt Leute, die sich durchaus daran stören dürften, wenn sich vor ihnen ein Avatar um- oder sogar ganz auszieht. Auch wenn man noch kein (richtiges) Zuhause hat, gäbe es da einige Optionen:

Pimp My Avatar

Nun geht es an die Avatargestaltung. Klassische Ausstattung für den Systembody und Layerkleidung erkennt man daran, daß sie im Inventar, im Aussehen usw. spezielle Symbole hat. Daran kann man etwa eine Skin, Augen, bestimmte Kleidungsstücke oder Tattoos identifizieren. Eine Skin, einen Shape, Augen und eine Hairbase trägt man immer; die kann man nicht entfernen, sondern nur ersetzen. Alles andere kann auch abgenommen werden.

Diese „Klassiker“ sind auch leicht am Avatar anzubringen: Man zieht sie sich an. Dabei folgen sie einer festgelegten Schichtung: Eine Unterhose trägt man beispielsweise immer unter einer Hose, auch wenn man sich erst die Hose und dann die Unterhose anzieht. Erst wenn man schon eine Hose anhat und noch eine hinzufügt, entscheidet, in welcher Reihenfolge man sie angezogen hat. Wenn man sich ganz normal eine Hose anzieht und schon eine anhat, ersetzt die neue Hose die alte.

Etwas komplizierter wird es mit Sachen, die es nur als Objekte gibt, z. B. Haare, Schmuck oder die allermeisten Schuhe. Zumindest in Firestorm kann man auch die „anziehen“; de facto hängen sie sich dabei als Anhängsel an den Avatar. Wenn sie gut gemacht sind, sitzen sie von vornherein gut. Ansonsten wird man sie bearbeiten und verschieben müssen (passiert gelegentlich mit Flexi- oder ungeriggten Mesh-Haaren und fast immer mit Schmuck) oder gar in der Größe anpassen (passiert gelegentlich mit Schuhen).

Klassische Schuh-Boxen enthalten häufig dreierlei: zwei Objekte, einmal „Schuhe“ und eine Alpha-Maske. Die „Schuhe“ sind keine; sie dienen nur dazu, die Füße in eine passende Form zu bringen bzw. den Avatar so anzuheben, daß die Schuhsohle (bzw. der Absatz) zwischen Fuß und Boden paßt. Die eigentlichen Schuhe sind die beiden Objekte. Eins ist der linke Schuh, das andere der rechte. Und die Alpha-Maske dient dazu, die Teile der Füße unsichtbar zu machen, die ansonsten störend sichtbar wären. Bei älteren Sandalen oder Pumps kann es passieren, daß die Füße ganz verschwinden, weil in den Schuhen selbst schönere Füße enthalten sind. Die bekommen dann aber nicht die Skin, die der Avatar trägt, also können sie nur mit langen Hosen getragen werden.

Nicht den Shape vergessen

Ein wichtiger Teil der Individualisierung des Avatars ist der Shape, der die Form des Avatars bestimmt, also Körpergröße, Muskulatur, Schuhgröße, Kopfform, Gesichtsform usw. Mitunter ist das schon deshalb notwendig, weil der Avatar so, wie er ist, häßlich wie die Nacht oder gar in den Proportionen völlig unrealistisch ist. Andererseits schrecken User häufig davor zurück, den Shape zu bearbeiten, wenn sie die vielen Kategorien mit jeweils etlichen Einstellmöglichkeiten sehen.

Wer partout nicht seinen Shape einstellen will, kann sich gerade auf älteren Freebie-Sims nach fix und fertigen Shapes umsehen. Es gibt sogar Boxen mit realistisch proportionierten Shapes, die echten Menschen nachempfunden sind.

Falls man sich doch ans individuelle Einstellen des Shape machen will, habe ich ein paar Ratschläge.

Zunächst einmal sei Umsteigern aus Second Life davon abgeraten, den Shape so einzustellen, wie sie es in Second Life gewohnt sind: gnadenlos überdimensioniert. Das hat zwei Gründe:

Zum einen werden Größen bei Avataren in Second Life kleiner dargestellt als bei Objekten. Avatare sind immer 15 cm kleiner, als was die Körpergröße im Shape angibt. Wenn man einen Avatar auf 1,80 m einstellt, ist er tatsächlich nur 1,65 m groß. In OpenSim wird die Avatargröße dagegen korrekt eingestellt. Ein auf 1,80 m eingestellter Avatar ist 1,80 m groß, und ein auf 2,50 m eingestellter Avatar ist tatsächlich 2,50 m groß.

Zum anderen gibt es in OpenSim die Avatar-Gigantomanie nicht, die in Second Life grassiert. Da ist die normale Größe für männliche Avatare inzwischen bei im Shape eingestellten 2,70 m angekommen, und wer seinen Shape sogar nur auf 2,40 m einstellt, ist schon kleinwüchsig. Wenn man hingegen in OpenSim auf eine Party geht mit einem Avatar, der nach Second-Life-Standards eingestellt und 2,70 m groß ist, ist man meistens der mit Abstand größte Avatar zwischen viel, viel kleineren Avataren. Das liegt nicht daran, daß alle anderen Zwerge oder Tinies sind, sondern man selbst ist der unrealistische Riese.

Anders gesagt: Wenn man seinen Shape auf 2,70 m einstellt, ist man in Second Life ein 2,55-m-Avatar unter 2,55-m-Avataren. In OpenSim ist man tatsächlich ein 2,70-m-Avatar – unter Avataren, die ansonsten weit überwiegend noch unter 2 m sind.

Es gibt in OpenSim an einigen Orten sogar einigermaßen realistisch große Gebäude. Typische Second-Life-Avatare – insbesondere männliche – können diese überhaupt nicht betreten, weil sie nicht durch die Türen passen.

Aber auch bei anderen Einstellungen sollte man vorsichtig sein. Generell sind Extreme doof. Bei einem männlichen Avatar die Schulterbreite, alle Muskelregler usw. auf 100% zu schieben, ist nicht badass, sondern lächerlich. Und Frauen, bei denen die Hüfte dreimal so breit ist und fünfmal soviel Umfang hat wie die Taille (also ca. 140-30-150), sind nicht sexy, sondern unglaubwürdig. Noch schlimmer, wenn auf den Schultern dann auch noch ein vergleichsweise winziger Kopf sitzt, der beim Mann problemlos in den Oberarm oder bei der Frau problemlos in eine Brust oder in eine Pobacke paßt.

Man sollte sich also schon über menschliche Proportionen informieren. Der Kopf sollte ungefähr ein Achtel der Gesamtgröße ausmachen. Die Hüfte gehört auf halbe Körperhöhe, also Beinlänge 50% ± nur ein ganz kleines bißchen. Der Abstand zwischen den Augen sollte in etwa der Breite eines Auges entsprechen, und der Mund sollte ungefähr so breit sein wie zwei Augen, so daß die Mundwinkel unter den Pupillen liegen.

A propos Mund: Überdimensionale Fischlippen bei Frauen, die zusammen so hoch sind wie der Mund breit und aussehen, als wäre da nicht Botox gespritzt worden, sondern Fensterkitt, haben wir schon oft genug gesehen, um nicht zu sagen, zu oft. Hübsch ist anders.

Outfits

Das Aussehen des Avatars kann man praktischerweise in sogenannten Outfits abspeichern und so wieder aufrufen. Frauen dürften das eher brauchen als Männer. Frauen benutzen ihre Avatare ja gern als „Anziehpuppen“ und probieren daran alle möglichen Klamotten aus; so können sie sich gelungene Aufmachungen als Outfits ablegen, falls sie diese später wieder brauchen sollten. Männer hingegen neigen eher dazu, mit möglichst geringem Aufwand ihrem Avatar ein und genau ein annehmbares Aussehen zu verpassen. Wenn es ihnen gefällt, dann wird es nie wieder verändert. Styling ist unmännlich. Aber es gibt ja auch Dressmen, und es gibt auch weibliche Avatare, die immer gleich aussehen; letztere geraten leicht unter Verdacht, weibliche Alts von Männern zu sein.

Wenn der Avatar dann fürs erste fertig ausgestaltet und individualisiert ist, kann es endlich richtig losgehen. Wie, das erfahrt ihr im nächsten Teil.

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