Der Einstieg in OpenSim, Teil 1: Sich einrichten

Ein Thema, das seit jeher entweder nur sehr stiefmütterlich oder überhaupt nicht behandelt wird, ist der Einstieg in OpenSim für totale Neulinge. Dazu zählen auf eine Art auch Umsteiger aus Second Life, die erst einmal umdenken müssen.

Natürlich gibt es einiges an OpenSim-Anleitungen und -Tutorials, aber die sind nur für die Serveranwendung OpenSimulator selbst und damit für Endnutzer ungeeignet. Das heißt, eigentlich sind sie sogar verwirrend, denn Neulinge glauben natürlich, sie müssen sich erst „OpenSim installieren“. Als Second-Life-Veteran hat man sich ja auch „Second Life installiert“, wobei „Second Life“ in diesem Fall den offiziellen Viewer meint. OpenSim hat aber keinen gleichnamigen offiziellen Viewer, was man als Neuling natürlich nicht unbedingt weiß.

Wer sich also trotzdem durch so ein Tutorial gekämpft hat, sitzt nach einer gefühlten Ewigkeit da mit einem aufwendig installierten und konfigurierten privaten OpenSim-Grid – weiß aber nicht, wie das jetzt genutzt werden soll. Ein typisches Tutorial kommt erst an dieser Stelle an den Punkt, wo man sich einen Viewer herunterladen, installieren und konfigurieren soll, um das eigene Grid auch nutzen zu können. Für Neulinge müßte der Punkt Viewer-Installation eigentlich der erste sein, und alles davor, alles, was mit der Installation und Konfiguration von OpenSim selbst zu tun hat, ist in diesem Stadium mehr als unnötig.

Am Anfang steht die Qual der Wahl

Anfangen sollte man ganz woanders. Bevor man sich sein eigenes Grid aufsetzt, wenn überhaupt, sollte man sich erst mit der Welt von OpenSim vertraut machen. Das gilt ganz besonders, wenn man eben nicht vorher in Second Life war. Und das kann man sehr viel besser in schon existierenden öffentlichen Grids.

Um das zu können, braucht man zweierlei:

In dieser Hinsicht ist OpenSim ähnlich wie E-Mail: Man hat die Qual der Wahl und bekommt nicht alles vorgekaut.

Zum Verständnis der Begrifflichkeiten siehe auch meinen ersten Grundbegriffe-Post.

Der Viewer

Der Viewer entspricht in diesem Vergleich dem E-Mail-Client mit dem Unterschied, daß kein Betriebssystem einen OpenSim-Viewer schon vorinstalliert hat. Es gibt da einiges zur Auswahl, aber wie auch bei E-Mail gibt es eine generelle Empfehlung, die den meisten Nutzern passen dürfte. Für E-Mail ist das der Thunderbird – für OpenSim ist das der Firestorm Viewer. Der wird am besten unterstützt und ist cross-platform.

Beim Download des Firestorm muß man allerdings aufpassen: Es gibt jeweils Versionen, die nur mit Second Life funktionieren, und solche speziell für OpenSim, die mit Second Life nur eingeschränkt funktionieren. Für OpenSim braucht man natürlich eine von letzteren; die Second-Life-Versionen sind da unbrauchbar. Dann muß man noch darauf achten, die richtige Version fürs eigene Betriebssystem zu wählen.

Das Grid für den Avatar

Nun braucht man noch einen Avatar. Den muß man auf einem Grid registrieren. In der E-Mail-Analogie entspricht der Avatar dem E-Mail-Konto und das Grid dem Mailprovider, bei dem man sich ein Konto anlegt. Auch der wird einem nicht vorgekaut. In OpenSim kommt aber erschwerend noch hinzu, daß man meist erst wirklich erfährt, wie gut ein Grid ist, wenn man schon einen Avatar hat und in der Welt von OpenSim unterwegs ist, denn da trifft man noch am ehesten Leute an, die wissen, wo es gut ist und wo nicht, und kann dahingehend auch eigene Erfahrungen machen.

Generelle Empfehlungen für alle gibt's hier nicht. Das Gmail von OpenSim ist ganz klar das OSgrid, das mit Abstand am größten ist und mit Abstand die meisten Nutzer hat. Okay, es hat nichts mit Google zu tun, aber auch da gehen viele hin, weil sie sich nicht entscheiden können und einfach das wählen, was „alle“ wählen. Außerdem ist das OSgrid die technische Referenz, gegen die vor allem der Firestorm gebaut wird, und rollt neue Features schon früh aus.

Allerdings sollte man als Nutzer im deutschsprachigen Raum der Performance halber nicht gerade ein Grid nutzen, das in Übersee gehostet ist. Außerdem haben Grids aus dem deutschsprachigen Raum auch viel eher etwas, das den Namen „deutschsprachige Community“ verdient. Meine Empfehlung wäre eher, sich da umzugucken. Ein Ansatzpunkt wäre die Liste der populärsten Grids auf Hypergrid Business. Wenn man noch keine Grids kennt, sollte man auf die Top Level Domain achten; .de ist am eindeutigsten, aber auch nach .eu kann man gucken. Außerdem ist dringend zu empfehlen, ein Grid zu wählen, das im Hypergrid ist, damit man nicht auf diesem einen Grid „eingesperrt“ ist. Ob ein Grid im Hypergrid ist oder nicht, ist ersichtlich aus der Hypergrid-Business-Liste der aktiven Grids; die meisten sind es aber.

Es empfiehlt sich immer, sich den Webauftritt des jeweiligen Grid anzusehen. Daraus kann man mitunter erkennen, ob es da wirklich so etwas wie eine Community gibt und das Grid überhaupt noch gepflegt wird. Einige Grids sind thematisch spezialisiert, darauf sollte man auch achten. Sich auf einem Grid mit Gor als Thema zu registrieren, wenn man mit Gor nichts am Hut hat (das lernt ihr noch früh genug, was das ist), ist sinnlos, ebenso, sich auf einem Furry-Grid zu registrieren, wenn man kein Furry ist. Bei Grids mit einer .eu-TLD sollte man auch überprüfen, ob man die „Amtssprache“ des Grid versteht – Astralia z. B. ist italienisch, während Offworld tatsächlich deutsch ist. Auch hinter neutralen TLDs verbergen sich europäische oder gar deutsche Grids, so ist Craft-World italienisch, aber polyglott. Im übrigen erlauben auch nicht alle Grids das Registrieren neuer Avatare.

Und es gibt noch mehr Fallstricke, vor denen man gewarnt sein sollte. Metropolis ist beispielsweise auch ein deutschsprachiges Grid, das älteste und mit Abstand größte seiner Art. Aber wer es kennt und nicht dafür arbeitet, ist sich einig, daß dieses einstmals mächtige und bedeutende Grid den Eindruck macht, einen langsamen Tod zu sterben. Noch dazu sind viele sehr vorsichtig, seit es vor nicht allzu langer Zeit einen Datenverlust gegeben hat, dem die Inventare aller Avatare zum Opfer gefallen sind. Generell ist das ganze Grid inzwischen sehr buggy. Die Größe täuscht: Ein erheblicher Teil der Landfläche kommt von gigantischen Varsims, die mitunter weder bebaut noch nutzbar sind, und die meisten Avatare sind Karteileichen von Leuten, die, wenn sie noch aktiv sind, längst in andere Grids umgezogen sind.

Anderes Beispiel: Anettes Welt scheint schon seit Jahren nur noch im Wartungsmodus zu laufen. Es verwendet eine uralte OpenSim-Version und unterstützt kein Bake-on-Mesh. Das ist schade, denn es gibt da eine bemerkenswerte Shopping-Doppelsim (hop://anettes-welt.de:8002/Atlantis/175/250/23, hop://anettes-welt.de:8002/Atlantis1/175/29/23). Wieder andere Grids haben auf die eine oder andere Art zweifelhafte Führungsstile.

Wenn’s hart auf hart kommt, kann man natürlich immer einen neuen Avatar mit derselben Identität auf einem anderen Grid anlegen. In OpenSim kann man im Prinzip beliebig viele Avatare haben. Aber dann hat man immer den Aufwand, den neuen Avatar mit dem Inventar des alten Avatars auszustatten, sofern die Sachen übertragbar sind, die nicht übertragbaren Sachen neu zu beschaffen, ihn zu stylen, also womöglich hunderte Outfits neu anzulegen, die ganzen Freundschaften neu zu knüpfen, den ganzen Gruppen, in denen der alte Avatar noch ist, wieder beizutreten, und so weiter. Wenn der alte Avatar schon ein Zuhause in-world hatte, braucht man das natürlich auch neu.

A propos: Es ist auch ein bißchen von Vorteil, auf einem Grid zu sein, das für Gridbewohner kostenlose Parzellen zur Verfügung stellt. Dann kann man seinem Avatar relativ einfach ein Zuhause bescheren, wenn man eins haben will. Aber in deutschsprachigen Grids gibt es das nicht oft, und wenn, wird es meist nicht beworben. Dorenas World beispielsweise hat noch ein paar Parzellen in ruhiger Lage frei (= auf Sims, die OpenSimWorld zum Glück nicht kennt), macht dafür aber keine Werbung und vergibt sie meines Wissens auch nur an Einwohner, die man gut genug kennt. Das heißt, es gibt auch Sims im Hypergrid mit Parzellen für Avatare aus egal welchem Grid; dazu in einem späteren Teil mehr.

Der Name

Zu guter Letzt braucht man natürlich einen Namen für den eigenen Avatar. Da gibt es eins zu beachten: Ein Avatar in OpenSim hat immer einen Vornamen und einen Nachnamen. Im Gegensatz zu Second Life sind das aber beides Freitextfelder. Viele Online-Nicknames, die man normalerweise so hat, werden hier unbrauchbar, wenn sie nur aus einem Wort bestehen.

Wer vorher in Second Life war, kann natürlich seinen Second-Life-Namen benutzen. Allerdings wirkt es ein bißchen komisch, wenn man ohne Not „Resident“ als Nachnamen wählt.

Die letzten Vorbereitungen

Wenn man nun all diese Wahlen getroffen hat, kann man zur Tat schreiten. Zwei Dinge sind ganz zum Anfang zu tun: Zum einen muß man auf die Website des Grid gehen, auf dem man seinen Avatar haben will. Da registriert man sich dann seinen Avatar. Einige Grids bieten übrigens beim Registrieren fertig dekorierte Startavatare an, von denen man sich einen aussuchen kann. Normalerweise startet man nämlich mit „Ruth“, dem Ur-Avatar auf dem Stand von 2007 mit einer aus dem Kopf ausgestülpten braunen Unisex-Vokuhila-Frisur, einem grauen Layer-Oberteil und einer roten Layer-Hose.

Zum anderen muß man sich den Viewer installieren, was aber eigentlich kein Hexenwerk sein sollte. Wenn der dann installiert ist, naht der Augenblick, auf den man gewartet hat: der erste Eintritt in die virtuelle Welt.

Dafür muß der Viewer dreierlei haben: erstens den Namen des Avatars, zweitens dessen Paßwort und drittens das Grid, auf dem der Avatar registriert ist. Einige Grids, die nicht zu jung und/oder zu obskur sind, sind zumindest im Firestorm schon eingetragen, die kann man also in der Login-Leiste unten direkt aus dem Menü auswählen.

Fehlt das eigene Grid, kann man es nachträglich eintragen. Dazu besorgt man sich die komplette Adresse des Grid, idealerweise mit Portnummer. Die oben verlinkte Liste auf Hypergrid Business enthält die jeweiligen Hypergrid-Adressen der aufgeführten Grids. Dann geht man im Firestorm zur Menüleiste oben, auf ViewerEinstellungen und in den Einstellungen auf OpenSim. Da gibt es ein Feld, das beschriftet ist mit Neues Grid hinzufügen. Da setzt man die Hypergrid-Adresse des eigenen Grid ein und klickt auf Anwenden. Der Firestorm sollte dann das Grid in die Liste aufnehmen. Die Einstellungen werden dann noch mit OK geschlossen, und schon kann man unten in der Login-Leiste das Grid auswählen.

Wenn nun Avatarname und Paßwort eingegeben sind und das Grid ausgewählt ist, braucht man nur noch auf Anmelden klicken …

… und schon ist man zum ersten Mal in der Welt von OpenSim.

Es empfiehlt sich, sich das Datum zu merken oder aufzuschreiben. Das ist dann nämlich der In-World-Geburtstag, auch „Rezztag“ genannt. Einige Nutzer, die nicht mehr ihren ersten Avatar verwenden, aber die Identität nie geändert haben, geben als ihren Rezztag übrigens weiterhin den ihres ersten Avatars an. Also sollte man dieses Datum gerade beim ersten Avatar nie vergessen.

Weiter geht’s in der nächsten „Folge“ mit der Handhabung.

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