Grundbegriffe virtueller Welten: Die Struktur

Im Zusammenhang mit virtuellen Welten tauchen immer wieder gewisse Begriffe auf. Die Bedeutung vieler Begriffe lernt man meistens allenfalls aus dem Zusammenhang, wenn sie verwendet werden. Daher gibt’s hier zunächst einmal Erklärungen einiger Begriffe, die vor allem in Second Life und OpenSim zum Einsatz kommen.

Viewer

Der Viewer ist die Anwendung, mit der man besagte virtuelle Welten nutzt. Die meisten Welten haben jeweils einen offiziellen Viewer, häufig gibt es auch nur den und keine Drittviewer. OpenSim wiederum nutzt man mit Drittviewern, die für Second Life entwickelt werden, häufig in jeweils einer speziellen Version für OpenSim.

Der Begriff „Viewer“ ist eigentlich irreführend, denn man kann sich damit die Welten nicht nur ansehen. Der Viewer dient auch der Interaktion mit der Welt und mit anderen Avataren, und der Viewer wird auch zum Bauen genutzt.

Grid

Im Gegensatz zu den Welten in MMORPGs sind viele virtuelle Welten aufgebaut als eine Art Gitter mit großen quadratischen Feldern. Im Englischen spricht man daher auch vom Grid. Vom Quadratraster bekommt man in der Welt selbst meistens aber je nach Gestaltung wenig bis gar nichts mit, und Gitternetzlinien gibt es keine, sofern sie nicht jemand auf die Bodentextur zeichnet.

Genau wie Second Life verwendet auch OpenSim so eine quadratische Rasterung. Beide Systeme haben außerdem eine gemeinsame Kantenlänge der Felder, nämlich 256 Meter.

Dieser Gitteraufbau ist vor allem deshalb von Vorteil, weil diese Welten im Gegensatz zu MMORPGs nicht komplett von einem zentralen Betreiber aufgebaut werden, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil von den Benutzern. Durch die gitterförmige Aufteilung kann besser gesteuert werden, wem was gehört und wer wo bauen darf. Es gibt noch eine kleinere Aufteilung in Parzellen, aber da müssen die Rechte untervergeben werden.

Die meisten so aufgebauten Systeme virtueller Welten haben nur ein Grid, das denselben Betreiber hat wie das ganze System. Second Life hatte eine Zeitlang ein zweites, separates Grid für Teenager, das aber zwischenzeitlich abgeschafft wurde. Wenn die Oasis in Ready Player One – falls jemand den Film oder gar das Buch kennt – auf einem quadratischen Raster beruhen sollte, gilt auch sie als Grid.

OpenSim stellt einen Sonderfall dar, weil es keinen zentralen Betreiber hat und praktisch komplett in den Händen verschiedenster Freiwilliger liegt. Hier gibt es nicht ein Grid, sondern allein über 300, die online öffentlich zugänglich sind. Im Prinzip kann jeder sein eigenes Grid betreiben, nur für sich zu Hause oder öffentlich.

Region

Eine Region ist ein quadratisches Feld in einem Grid. In Second Life und OpenSim haben die Regionen Kantenlängen von 256 m. Es gibt aber auch virtuelle Welten mit weitaus größeren Kantenlängen; Sine Wave Space erlaubt beispielsweise variable Regionengrößen in gewissen Schritten in praktisch beliebiger Größe; Regionen bis 16×16 km funktionieren erwiesenermaßen, sofern darin nicht zuviel passiert.

Regionen haben nicht zwingend denselben Eigentümer wie das Grid, in dem sie sich befinden. Im allgemeinen vermieten Grids Regionen an Nutzer, die in dieser Region dann entsprechende Rechte haben – aber eben nur da. Es gibt verschiedene Mietmodelle für Regionen; in OpenSim kann man häufig gegen entsprechend mehr Geld mehrere quadratisch angeordnete Regionen mieten, z. B. 2×2, 3×3, 4×4 oder noch größer; inzwischen sind Größen bis zu 16×16 Second-Life-Standardregionen bekannt. Hier spricht man von Varregionen.

Manchmal gibt es auch die Option, die leeren Regionen um die eigentlich gewünschte Region herum mit anzumieten zu einem geringeren Preis, ohne da aber bauen zu können. Das dient vor allem dazu zu verhindern, daß jemand direkt neben der eigenen Region baut, stellt aber auch mehr Gewässerfläche z. B. zum Segeln zur Verfügung. Gebaut werden darf in diesen Regionen im allgemeinen aber nicht.

Komplett ungenutzte Regionen werden übrigens als Wasser dargestellt, sind aber nicht begeh- oder befahrbar.

Sim

Den Begriff „Sim“ (von „Simulator“, aber im deutschen Sprachgebrauch ist „Sim“ trotzdem weiblich) liest man in Second Life inzwischen seltener; er ist durch „Region“ ersetzt worden, obwohl er eigentlich das meint, was in einer Region läuft.

In OpenSim ist er noch gebräuchlicher, denn da können Sims durchaus mehrere Regionen umfassen, also in Varregionen laufen. „Sim“ ist ganz einfach unabhängig von der Größe, was „Region“ nicht wäre. Varregionen werden auch als Varsims bezeichnet.

Parzelle

Auf Regionen können wiederum Parzellen angelegt werden, in denen bestimmten Nutzern spezielle Rechte verliehen werden können. Das hat vor allem zwei Zwecke: Zum einen können diese Parzellen individuell benannt werden, um im Viewer spezielle Namen anzeigen zu können und so dem Besucher die Orientierung zu erleichtern. Zum anderen können so Teile einer Region untervermietet werden. Auf dieser Grundlage funktionieren beispielsweise Wohnsims.

Metaverse

Auch wenn Mark Zuckerberg noch so sehr versucht, diesen Begriff zu seinem Eigentum zu machen oder gar als seine eigene Erfindung auszugeben: Das Metaverse hat eine rein theoretische Bedeutung. Es bezeichnet die Gesamtheit aller Grids, egal, wer sie mit welcher Technik betreibt. Zum Metaverse gehören also in sich geschlossene, kommerzielle Welten wie Second Life, Sansar, Sinespace oder VRchat ebenso wie die Gesamtheit aller OpenSim-Grids oder auch MMORPGs wie World of Warcraft.

Hypergrid

Das Hypergrid ist eine OpenSim-exklusive Entwicklung. Damit wurde im Jahr 2008 das Problem der Isolation der Grids in OpenSim voneinander behoben, denn es ermöglicht den Übergang von Avataren von einem Grid in ein ganz anderes, egal, wo der Avatar registriert ist.

Im Hypergrid sind mehr als 95% aller OpenSim-Grids und mehr als 95% der OpenSim-Landfläche miteinander verbunden. Der Vorteil des Hypergrid ist, daß einem sehr viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen als die, die einem das heimische Grid bietet. Man kann Orte auf anderen Grids besuchen, ohne in jedem dieser Grids erst einen Avatar anzulegen, und man kann Sachen aus anderen Grids ins eigene (und sonst fast überallhin) mitnehmen. Wer sich dennoch einen Zweit-, Dritt- oder anderweitig zusätzlichen Avatar in einem anderen Grid registriert als dem, in dem der Erstavatar registriert ist, tut dies häufig aufgrund der Eindrücke von dem Grid, die beim Hypergridding gesammelt wurden. Aber die Zeiten, in denen man auf jedem Grid, das man nutzt, einen eigenen Avatar braucht, sind lange vorbei.

Es gibt noch einige sogenannte „geschlossene Grids“, die nicht im Hypergrid sind. Man kann sich weder in diese Grids noch aus diesen Grids teleportieren. Das schränkt zwar die Bewegungsfreiheit der Nutzer und die möglichen Quellen für Avatarausstattung, Objekte und dergleichen ein, erschwert aber illegale Tätigkeiten. Früher gab es mehr geschlossene Grids, die auch sehr groß werden konnten, berühmtesterweise Inworldz. Gerade durch den Niedergang von Inworldz erwies sich diese Geschlossenheit aber als Falle. Heutzutage sind nur noch einige kleinere Grids und das größere TAG Grid geschlossen.

Second-Life-Nutzer und -Umsteiger, die nach OpenSim kommen, bevorzugen oft geschlossene Grids, weil die ihnen eine ähnliche Sicherheit wie Second Life bieten und sie sich nicht mit dem Konzept des Hypergrid auseinandersetzen müssen. Andererseits bedeuten geschlossene Grids auch Interaktion mit noch weniger Leuten als im Hypergrid, weil man nur mit den Usern dieses einen Grid zusammentrifft. Außerdem – so zeigte Inworldz – ist es in geschlossenen Grids ungleich schwieriger, vor der angekündigten Schließung des Grid die eigenen Kreationen zu retten, als im Hypergrid.

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