General, Moderate, Adult: Das Rating-System in OpenSim

Die Content Ratings in OpenSim, also General, Moderate und Adult, sind aus Second Life übernommen und haben einen ähnlichen Zweck wie die Alterseinstufungen der USK – Älteren dürfte hier die FSK geläufiger sein. Sie sorgen allerdings immer wieder für Irrungen und Wirrungen.

Wer als Neuling nicht über Second Life nach OpenSim gekommen ist, kann mit ihnen nichts anfangen. Während Second Life alle drei Ratings genau definiert, gibt es in OpenSim, insbesondere im Hypergrid, keine verbindliche einheitliche Definition.

Die allermeisten Grids definieren sie überhaupt nicht und gehen davon aus, daß sowieso jeder die Definitionen aus Second Life kennt. Wenn sie denn gridseitig definiert werden, sind das absolute Gummi-Definitionen, die bis zur Unkenntlichkeit gedehnt werden können – und auch die gelten natürlich nur für dieses eine Grid.

Aber auch erfahrene User fallen in puncto Ratings schon mal fürchterlich auf die Schnauze. Wer felsenfest davon ausgeht, daß sowieso überall die Second-Life-Definitionen gelten, wundert sich dann, wenn er von einer Sim mit Adult-Rating geworfen wird, weil er da nackt war – aber Nacktheit da gar nicht erlaubt ist, weil Adult nur „keine Kinderavatare erlaubt“ bedeutet. Umgekehrt sind eher prüde User, für die Adult tatsächlich nur „keine Kinderavatare erlaubt“ bedeutet, immer wieder zutiefst schockiert, wenn sie auf Adult-Sims auf nackte Avatare stoßen – und zwar selbst dann, wenn zur Nacktheit ermutigt und Nacktheit öffentlich beworben wird. Derweil glauben beide Seiten, ihre und ausschließlich ihre Definition sei hypergridweit alleingültig.

Das Rating-System in Second Life

In Second Life sind die Ratings klassischerweise ziemlich klar umrissen:

Die Einhaltung der Regeln wird von den Lindens übrigens überwacht – gerade auch seitens der Eigentümer der Regionen. Wer auf einer Moderate-Region zuviel erlaubt, dem wird die Region zwangsumgestellt auf Adult. Wer wiederum eine Adult-Region so stark einschränkt, daß das Adult-Rating nicht mehr gerechtfertigt ist, dem wird sie von den Lindens auf Moderate zwangsumgestellt, wenn nicht gar auf General.

Unterm Strich kann man sagen, die Ratings in Second Life sind sehr zuverlässig.

Ach ja: Wer auch Second Life noch nicht kennt und sich gerade darüber gewundert hat, daß ich von Sex geschrieben habe: Ja, Sex zwischen Avataren geht. Und ja, der passiert auch. Wie der geht, ist aber nicht Thema dieses Beitrags. Vielleicht schreibe ich noch einen, der das (mit-)thematisiert, ansonsten findet man das früher oder später selbst heraus.

Das Rating-Chaos in OpenSim

Aus Gründen der Kompatibilität zu Second Life – die wichtigsten Viewer gibt es ja für beide Produkte – gibt es in OpenSim exakt dieselben drei Ratings. Das heißt aber nicht, daß sie auch exakt dieselbe Bedeutung haben. Perfiderweise haben sie genau die im allgemeinen eben nicht.

Noch dazu legt jedes Grid – und auch so manch eine Sim für sich – die Regeln unterschiedlich aus. Es gibt ja keine zentrale Kontrollinstanz, die letztlich über alle OpenSim-Grids das Sagen hat. Das heißt, nur ganz wenige Grids haben tatsächlich gridweit definierte Ratings. Meistens gibt es eine Art nie irgendwo schriftlich festgehaltenen Konsens, daß die Second-Life-Regeln gelten – oder, besser gesagt, was man glaubt, was die Second-Life-Regeln sind.

General ist im Prinzip so wie in Second Life. Es wird aber je nach kulturellem Hintergrund der Grid- oder Sim-Betreiber unterschiedlich ausgelegt. Einige sehen es schon als verwerflich, auf einer General-Sim eine Bar zu haben, die auch nur impliziert, daß sie alkoholische Getränke ausschenkt.

Andere haben kein Problem damit, auf einer Sim mit General-Rating sogar Waffen anzubieten. Oder Meshbodys oder Skins, auf deren Verkaufsboxen eine nackte Frau zu sehen ist. Oder gar Genitalien mit sehr expliziten Illustrationen auf den Verkaufsboxen. Wer so etwas in einem Laden versteckt, der von außen nicht einsehbar und mit „Nicht unter 18 Jahren“ beschriftet ist, gilt als prüde.

Wieder andere haben noch härtere Regeln. The Haven Grid beispielsweise ist ein US-amerikanisches Grid, das sich selbst als christlich und familienfreundlich bezeichnet. Das bedeutet nicht nur sehr christlich – zum Glück wird einem das in diesem Grid nicht um die Ohren gehauen, derweil es durchaus praktizierende ultra-religiöse Fanatiker im Hypergrid gibt –, sondern sehr konservativ und sehr prüde. Das ganze Grid ist G-rated, was hierzulande USK0 entspricht. Auch Our Dawn ist als ganzes Grid G-rated.

Moderate unterscheidet sich kaum mehr von General bis zu dem Punkt, wo die Ratings häufig eigentlich frei austauschbar sind. Allenfalls wird General verwendet, um der „Sauberkeit“ und Familienfreundlichkeit einer Sim mehr Nachdruck zu verleihen.

Im allgemeinen ist davon auszugehen, daß auf Sims mit Moderate-Rating öffentliche Nacktheit nie erlaubt ist. Falls doch, was an sich schon selten ist, erfährt man es manchmal in irgendeiner Sim-Beschreibung und noch häufiger zufällig vom Grid- oder Sim-Betreiber (daran erkennt man mitunter alte Second-Life-Recken). Und das, obwohl man auf fast jeder Freebie-Sim mit General-Rating splitternackte Avatare auf Bildern sehen kann.

Derweil gibt es sehr wohl Freebie-Sims mit Moderate-Rating, die sextaugliches Mobiliar oder gar BDSM-Instrumente anbieten – aber nicht etwa schön in Boxen verpackt, sondern die Objekte selbst, und zwar mit noch an Ort und Stelle nutzbaren Skripten.

Nach dem Alter der Nutzer kräht hier übrigens kein Hahn. Das wäre auch sinnlos, denn fast kein einziges Grid – zumindest im Hypergrid – verifiziert das Alter seiner Nutzer. Ich bin mir nicht mal sicher, ob OpenSim überhaupt die technischen Rahmenbedingungen hat. Und so kann man im allgemeinen nie wissen, wie alt der Nutzer hinter einem Avatar wirklich ist.

Adult ist vielfach ein sehr dehnbarer Begriff. Natürlich sind diejenigen Sims, die wirklich Sauereien erlauben, alle Adult-rated. Das sind auch die allermeisten Sims, die öffentliche Nacktheit erlauben. Während es zwischen den beiden Kategorien große Überschneidungen gibt, verstehen sich ein paar Nackt-Sims eher als FKK-Sims. Nicht nur haben die keinerlei Sexmobiliar, sondern sexuelle Handlungen und Anzüglichkeiten jeglicher Art sind simweit überall verboten. In Second Life würde so eine Sim locker das Moderate-Rating einhalten können. In OpenSim geben höchstens Europäer solchen Sims ein Moderate-Rating.

Dazu kommt, daß auf den wenigen Grids mit gridweiten Rating-Vorgaben gerade das Adult-Rating sehr variabel ist. Grundsätzlich entspricht es dem in Second Life, aber es heißt, das Rating kann von Sim-Betreibern nach Belieben verschärft werden. Nach Belieben.

Mißbrauchspotential durch willkürliche Fehlauslegung

Was dabei herauskommt, sah man schon oft genug in Form von „Blues“-Club-Sims, die von älteren, konservativen US-Amerikanern aufgebaut wurden. Die bekamen ein Adult-Rating, aber ohne auch nur eine einzige Freiheit für die Nutzer, die über General hinausging. Zunächst einmal verkaufen solche Leute einem gern Southern Rock oder gar Country Rock als Blues, was einiges über die Sim-Betreiber aussagt. Und dann hat ihre Sim ein Adult-Rating, aber nicht nur Sex ist nirgendwo erlaubt, sondern wenn man sich erdreisten sollte, nackt auf der Sim aufzutauchen, wird man ohne vorherige Warnung sofort herausgeworfen und dauerhaft gesperrt.

Warum sind diese Sims aber Adult-rated? Weil die Betreiber die Ratings falsch verstanden und/oder eigenmächtig umdefiniert haben. Für sie ist Adult keine Content-Warnung, keine Warnung davor, daß Besucher auf explizit sexuelle oder anderweitig verstörende Inhalte treffen könnten. Wie gesagt, dies Sim-Betreiber sind so prüde, daß sie nicht einmal Nacktheit erlauben. Nein, „Adult“ bedeutet für sie nur „keine Kinder erlaubt“.

Das „Adult“ bezieht sich aus ihrer Sicht außerdem nicht auf das Alter des Nutzers – das eh nicht verifiziert werden kann, zumal auch Zehnjährige mit genügend technischem Sachverstand und passender zur Verfügung stehender Hardware sogar ihr eigenes Grid aufziehen können. Nein, es bezieht sich ausschließlich auf das dargestellte Alter des Avatars. Wenn man weiß, woher man die Zutaten bekommt, kann man sich ja problemlos einen Avatar in Gestalt eines Kindes bauen. Und diese Leute hassen einfach Kinder und wollen in ihrem Laden keine sehen.

Das heißt, vielleicht glauben sie tatsächlich, daß Avatare immer das Alter des Nutzers widerspiegeln. Aber das ist ein noch größerer Unsinn wie die Annahme, daß das Geschlecht des Avatars mit dem des Nutzers übereinstimmt. Ernsthaft: Wenn Minderjährige OpenSim nutzen, dann bauen sie sich keine Avatare, die ihresgleichen darstellen, sondern Erwachsenenavatare – und zwar tendentiell noch häufiger völlig übertriebene Avatare, als Erwachsene sie bauen. Und somit stecken hinter allen Kinderavataren Erwachsene – und zwar weit überwiegend Männer.

So manches Mal gab es wegen des Rating-Mißbrauchs übrigens Zoff. Und der ging nicht immer zugunsten der Sim-Betreiber aus. Manche OpenSim-Nutzer sind ja Nudisten. Einige wenige sind so harte Nudisten, daß sie überall da, wo es so aussieht, als wenn sie da nackt sein können, auch tatsächlich nackt sind. Wenn sie dann auf einer Adult-Sim – noch einmal, qua Rating dürfen sie da nackt sein – wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ rausgeworfen und gesperrt werden, setzen sie sich manchmal zur Wehr. Es gab schon mindestens einen Fall, in dem so eine Sim sowohl im Grid selbst als auch auf OpenSimWorld zwangsweise auf Moderate umgestellt wurde, weil man entschied, daß das Adult-Rating nicht gerechtfertigt war.

An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt: Wenn man unbedingt per Rating Minderjährige aussperren will, dann geht das auch mit einem Moderate-Rating. Moderate schließt gemäß Second-Life-Definition nämlich auch schon Minderjährige aus. Adult zu nehmen und dann willkürlich die Rechte der Nutzer wieder auf Moderate- oder gar General-Niveau einzuschränken, das ist etwas für Leute, die die Definition der Ratings nicht kennen und nur aus den Namen herleiten.

Inzwischen ist die Zahl der Sims mit Adult-Rating, aber General-Freiheiten noch weiter gestiegen, und zwar aus einem neuen Grund: Das Adult-Rating soll nun dafür herhalten, Pädophile und Ageplayers auszusperren. Auch dafür braucht es das Adult-Rating nicht. Man kann Regeln auf Sims auch anders aufstellen und durchsetzen. Man kann ja auch einfach mit In-world-Schildern darauf hinweisen, daß man keine Furry-Avatare will, wenn man keine will. Das geht auch mit Kinderavataren, und zwar unabhängig vom Rating. Und als Simbetreiber kann man auch Regeln durchsetzen, auf die mit Schildern hingewiesen wird.

Mißbrauchspotential durch Ausnutzung von Schlupflöchern

Ich habe auch schon Fälle gesehen, wo versucht wurde, auf einer Clubsim unbedingt das Adult-Rating zu rechtfertigen, mit dem Kinderavatare ausgesperrt werden sollen, und sie gleichzeitig blitzsauber zu halten. Irgendwo auf der Sim gab es dann einen kleinen abgeschlossenen Bereich, etwa ein Gebäude, das am besten von außen nicht einmal einsehbar war, mit einem Stück Sexmobiliar drin. Da konnte man dann versuchen, sich damit herauszureden, daß Sex auf der Sim durchaus erlaubt war. Zwar nur in dieser kleinen Nische, während überall sonst womöglich nicht einmal Männer oben ohne sein durften, von Frauen ganz zu schweigen, aber es war erlaubt.

Das war durchaus ein legitimes Schlupfloch, denn auch in Second Life ist Sex außerhalb von Adult-Sims nur auf mit technischen Mitteln abgeschirmtem Privatgrund erlaubt. Ein einziges Stück Sexmobiliar irgendwo auf der Sim macht eigentlich automatisch ein Adult-Rating notwendig. Gleichzeitig aber war das nichts weiter als ein Trick, um eine ansonsten sehr konservativ wirkende Clubsim als Adult einstufen zu können – allein zu dem Zweck, Kinderavatare aussperren zu können.

Der kleine Sexbereich, der eh nur zwei Avatare aufnehmen konnte, war zum einen unnötig wie ein Kropf für das Konzept der Sim. Zum anderen wurde er auch nirgendwo beworben, und daß es ihn überhaupt gab, fand man nur zufällig durch Umgucken auf der Sim heraus – wenn denn überhaupt. Im Grunde wollte man gar nicht, daß jemand den Sexbereich findet, geschweige denn nutzt. Der diente nur dazu, daß man ihn selbst als Grund aufführen konnte fürs Adult-Rating.

Daß so etwas in Second Life durchginge, daran habe ich meine Zweifel. Wie einige hier schon wissen müssen, war ich nie in Second Life. Aber solche Tricks, um die vermeintlichen Einschränkungen des Adult-Ratings ohne die Freiheiten des Adult-Ratings zu haben, dürften da bei den Lindens nicht gut ankommen. Andererseits breiten sich Pädos in Second Life nicht überall ungehindert aus, allein deshalb, weil sie ihre traditionellen Rückzugsorte haben, wo auch die Lindens sie in Ruhe lassen.

Genau die Regel, die hier als Schlupfloch genutzt wird, um das gewünschte Adult-Rating für eine ansonsten völlig harmlose Sim zu bekommen, wird aber tatsächlich ab und an gebrochen. Da findet man dann voll funktionsfähiges Sexmobiliar auf einer Sim vor, deren Rating sowohl in-world als auch auf OpenSimWorld unter Adult liegt, womöglich sogar General ist. Wohlgemerkt, nicht als Artikel in irgendeinem Freebie-Store, sondern als Sim-Deko, noch dazu für so ziemlich jedermann sichtbar. Das kann eigentlich nur zwei Gründe haben: Entweder weiß der Sim-Erbauer überhaupt nicht, daß Avatare auf diesem Mobiliar Sex haben können. Oder er weiß es, findet aber die Möbel so schick, ist gleichzeitig nicht kompetent genug, sie zu entschärfen, und hofft, mit dem Rating die Leute davon abhalten zu können, darauf tatsächlich zu bumsen.

Ich kenne übrigens noch eine Herangehensweise an die Ratings, die näher an deren eigentlicher Definition und Intention ist, zumindest der vereinfachten Definition „Adult = Nackt-Sim“. Die habe ich gesehen auf einem kleinen walisischen Grid mit nur ganz wenigen Sims, aber einer Betreiberin mit Hang zum Nudismus, dem Ocean Grid (es gibt noch ein kleineres walisisches Grid, das von einer Nudistin betrieben wird). Fast überall im Grid ist Nacktheit erlaubt, wenngleich Sexmöbel nur schwer zu finden sind, wenn überhaupt. Und so sind auch fast alle Sims Adult-rated. Einzig die Landesim ist Moderate-rated.

Der Grund dafür ist, daß der Landeplatz in einem geschlossenen Gebäude ist, von dessen völlig fensterlosen Erdgeschoß aus man nicht die übrige Sim einsehen kann. Um prüde Besucher zu schützen, ist in diesem Gebäude Nacktheit nicht erlaubt. Und vor etwaiger öffentlicher Nacktheit außerhalb des Gebäudes, die da nämlich „trotz“ Moderate-Rating wieder erlaubt ist, wird auf etlichen Schildern gewarnt – sogar auf solchen an der Treppe zur Aussichtsplattform. Wenn man die betritt, bekommt man sogar zusätzlich eine Notecard zugesteckt, die davor warnt, daß man möglicherweise nackte Avatare sehen könnte. Wer sich also an nackten Menschen stört, wird genügend vorher davor gewarnt und kann noch rechtzeitig die Sim wieder verlassen. Das Moderate-Rating soll also ganz einfach Nudisten davon abhalten, sich – versehentlich – nackt in dieses Gebäude zu teleportieren.

Dieselbe Sim, verschiedene Ratings?

Erschwerend kommt in dem Chaos aber noch etwas anderes hinzu: Was OpenSimWorld bei den jeweiligen Sims als Rating angibt, muß nicht korrekt sein. Es muß nicht dem Rating entsprechen, das die Sim tatsächlich in-world hat. Ich schätze, in mindestens 20% der Fälle tut es das auch nicht.

Gründe kann es dafür verschiedene geben. Einer ist, daß der OpenSimWorld-Beacon nicht das In-World-Rating an OpenSimWorld überträgt, man also auf OpenSimWorld das Rating noch einmal per Hand einstellen muß – und es keinen technischen Zwang gibt, es genauso einzustellen wie in-world. Man kann eine Adult-Sim auf OpenSimWorld als General-rated bewerben. Oder umgekehrt eine General-Sim als Adult-rated. Da gibt es keinerlei technische Hürde, und wenn keiner diesen Fehler meldet und man es selbst nie „korrigiert“, bleibt das auch bis in alle Ewigkeit so.

Unwissen kann auch ein Grund sein. Vielleicht weiß man einfach nicht, daß das Rating, das man auf OpenSimWorld einstellen muß, dem entsprechen sollte, was man für die Sim selbst eingestellt hat. Oder es ist Schlendrian: Man achtet einfach nicht drauf. Oder es ist einem einfach vollkommen egal. Oder man hat aus irgendeinem Grunde vergessen, welches Rating man seiner Sim gegeben hat, und keine Lust, sich im Grid einzuloggen und mal nachzugucken. Oder man war nie in Second Life, weiß also nicht, was die Ratings bedeuten, und klickt einfach irgendetwas an.

Sprachbarrieren können auch ein Grund sein. Es gibt jede Menge OpenSim-Nutzer, auch Sim- oder gar Grid-Betreiber, die kein Wort Englisch können. Das sehe ich erfahrungsgemäß besonders oft bei Italienern und Brasilianern. OpenSimWorld können sie nur per Maschinenübersetzung der ganzen Website nutzen, z. B. Google Translate. Die Maschinenübersetzung der Ratings auf OpenSimWorld – sofern die überhaupt übersetzt werden – muß nicht mit der händischen Übersetzung in OpenSim bzw. im Viewer übereinstimmen. Und schon hat man das falsche Rating gewählt.

Da freut sich dann der geneigte Nudist über eine Sim, die neu auf OpenSimWorld aufgetaucht ist und mit einem Adult-Rating beworben wird. Vielleicht hat sie sogar Adult als Kategorie, der die Sim-Beschreibung – so es eine gibt – auch nicht widerspricht. Dann hypergriddet man da freudig splitternackt hin – und findet sich wieder auf einer General-Sim, die auf OpenSimWorld fälschlicherweise als Adult-rated geführt ist. Da heißt es dann aber hurtig wieder nach Hause, bevor man erwischt wird.

Das gibt es natürlich auch umgekehrt: Auf OpenSimWorld wird eine Sim angepriesen als General-rated. In-world erweist sie sich dann als Adult-rated. Da hat man sich dann vielleicht extra ein braves Outfit angezogen, um vor Ort festzustellen, daß Nacktheit nicht nur (wahrscheinlich) erlaubt ist, sondern sogar angebracht. Manchmal, aber nicht immer können die Beschreibung der Sim und die In-world-Bilder auf OpenSimWorld den Verdacht erwecken, daß das dortige Rating nicht ganz stimmen kann. Oft genug gibt es aber – vor allem bei neuen Sims – weder eine Beschreibung noch Bilder, und man teleportiert ins Blaue.

Um das Chaos komplett zu machen: Auch das In-World-Rating muß nicht der eigentlichen Intention der Sim, deren Inhalt und deren Regeln entsprechen. Den „Blues“-Club, der ein Adult-Rating hat, weil der Sim-Betreiber Kinder haßt, obwohl ein General-Rating auch funktionieren würde und sich das Rating noch nie auf das Aussehen des Avatars bezogen hat, hatte ich ja schon angesprochen.

Aber, vor ein paar Monaten gesehen: eine Sim mit italienischem Betreiber. Auf OpenSimWorld Adult-rated und mit einer Beschreibung nur auf Italienisch, aus der nicht aufs angepeilte Rating geschlossen werden kann. In-world entpuppt sie sich auf den ersten Blick (oben in den Viewer) als General-rated – und auf den zweiten Blick als Nacktstrand mit nicht gerade wenigen Fickmöglichkeiten, der eigentlich das Adult-Rating haben müßte.

Fazit

Schon in Second Life kann das Rating-System nur vom eisernen Regime der Lindens am Laufen gehalten werden. Im liberalen, dezentralen OpenSim, wo es keine höchste Kontrollinstanz über alles gibt, ist es eigentlich zum Scheitern verurteilt.

Ratings können weitreichend verbogen, sehr flexibel ausgelegt und regelrecht mißbraucht werden. Statt jede Sim zwangsweise auf die kalifornische Kultur Second Lifes einzunorden, prallen das vergleichsweise liberale, lockere Mitteleuropa und prüde, verklemmte, konservative US-Amerikaner hart aufeinander mit ihren Vorstellungen von Ratings. Gerade auf größeren Grids scheint es relativ einfach zu sein, sich von der Gridleitung unbemerkt hart am Rande von Ratings zu bewegen, und kleinere Grids tun das mitunter gleich selbst.

Erschwerend kann noch hinzukommen, daß das Konzept von Varsims, das es ja nur in OpenSim gibt, die Rating-Problematik noch verschärft. Je größer eine Sim ist, desto schwieriger ist es, ein und dasselbe Rating für die ganze Sim zu rechtfertigen.

Im Grunde bräuchte OpenSim ein feiner aufgegliedertes Rating-System, das auch mehrere Ratings für eine Sim erlaubt, also separate Ratings für Teile der Sim. Außerdem sollte genannt werden können und auch müssen, was genau wo erlaubt ist. Damit wäre dann klar, daß z. B. auf einer Sim keine Kinder erlaubt sind, aber auch keine Nacktheit – oder eben Nacktheit, aber kein Sex.

Second Life müßte das so zuerst einführen, und OpenSim könnte bzw. müßte das dann übernehmen. Das wird aber nicht passieren, weil Second Life auf Befehl der Investoren, die Linden Lab übernommen haben, zu einer familienfreundlichen Partywelt umgebaut werden soll, wo nichts mehr erlaubt sein wird, was nicht ins General-Rating paßt.

Also müßte sich OpenSim von Second Life wegentwickeln. Das wird ja immer wieder gefordert, ist aber nicht umsetzbar. Das heißt, OpenSim könnte sich von Second Life wegentwickeln, aber dann gäbe es keine Viewer mehr für OpenSim. Es gibt ja keinen einzigen reinen OpenSim-Viewer, und was es im Viewer-Bereich überhaupt gibt, wird in erster Linie für Second Life entwickelt und mit Ach und Krach kompatibel zu OpenSim gehalten. Die OpenSim-Community hat ganz einfach nicht die Ressourcen, um einen eigenen Viewer zu entwickeln und dauerhaft zu pflegen, der es mit dem Firestorm aufnehmen kann.

Das Problem der Rating-Differenzen zwischen in-world und OpenSimWorld ließe sich einfacher beheben, nämlich, indem die Simbetreiber auf diese Differenzen hingewiesen werden. Sollte das nicht klappen, sollte die OSW-Administration ihrerseits die Einträge korrigieren können. Dazu bräuchte es aber die Bereitschaft der Community, solche Unterschiede zu melden. Allem Anschein nach will man da aber im allgemeinen lieber nur konsumieren und, wenn etwas nicht stimmt, über Sims, ganze Grids oder gar OpenSim als Ganzes meckern.

So werden wir wohl mit diesen Problemen weiter leben müssen.

#OpenSim #FürAnfänger #FürFortgeschrittene