Goblinkindergarten

Blog über Pen & Paper und verwandte Themen

Schurk*innen oder Dieb*innen, sind wohl die DND Klasse, die im Laufe der Jahre, die meisten Änderungen durchgemacht hat. Angefangen beim Namen.

Der “Dieb” in B/X, Retroklonen und vielen OSR Systemen ist eine hoch spezialisierte Klasse, die definiert ist durch ihre Fertigkeiten. Damals die einzige Klasse, die überhaupt spezielle Fertigkeiten hatte, nämlich Schlösser Öffnen, Fallen Entfernen, Taschendiebstahl, Schleichen, Fassadenklettern, Verstecken und Lauschen.

Dieb*innen waren keine der originalen Klassen aus ODND, sondern kam erst mit der Greyhawk Erweiterung. Für die “Erfindung” der Klasse gilt es Darrold Wagner und Gary Schwitzer zu danken, welche diesen Dank von Gary Gygax leider nie erfahren haben. Mehr zur Geschichte der Diebesklasse ist in diesem sehr informativen Video zu finden.

Diese Dieb*in der Originalen bis zur B/X-Version war gut dafür geeignet, um, nun ja, eine*n Dieb*in zu spielen. Weder war sie sehr kampftauglich, ausgestattet mit denselben oder nur etwas besseren Trefferwürfeln im Vergleich zu Magier*innen, noch konnte sie zaubern (bis es möglich wurde, Zauber von Schriftrollen zu wirken).

Mit dem Fortschreiten der Versionen kam den Dieb*innen weitere Rollen hinzu. Sie blieben weiterhin Spezialist*innen für besondere Aufgaben, auch wenn diese nicht unbedingt immer etwas mit langfingerigem Handwerk zu tun hatten. Weiterhin wurde die Rolle im Kampf verstärkt, mit Fokus auf hinterhältige Angriffe und leichte Waffen. Damit kam auch die Namensänderung, erst als Unterklasse des Rogue oder Schurken, später die Änderung Klassenbezeichnung an sich.

Der “Schurke” aus 5e ist in erster Line ein “Damage Dealer”, wenn man diesen Begriff aus Computerrollenspielen heranziehen will. Ähnlich den Magier*innen hält er wenig aus (wenn auch wesentlich mehr als diese oder der Dieb*innen in ODND), kann aber potenziell einen hohen Schaden anrichten. Klassische Diebesfähigkeiten sind eher nebensächlich.

Soviel zum Dieb*in/Schurk*in in DND. Was macht nun Beyond the Wall anders?

Im Gegensatz zu anderen Retroklonen/ OSR-Systemen, haben sich die Macher*innen von Beyond the Wall nicht dazu entschieden, einfach die ODND oder B/X Diebesklasse zu kopieren. Sie haben Schurk*innen als eigenständige Klasse eingeführt, ohne sie zu einer Kampfmaschine àla 5e zu machen.

Als Hommage an die Oldschool-Dieb*innen, leveln auch die BtW-Schurk*innen schneller als alle anderen Klassen, haben die besten Rettungswürfe und die höchste Initiative. In Anlehnung an 5e besitzen sie allerdings keine festgelegte Fertigkeitsliste (wobei sie mehr Fertigkeiten als andere Klassen erhalten) und sind mittelprächtig, was die Trefferpunkte angeht. Außerdem erhalten sie mehr Schicksalspunkte (die Metawährung oder Gummipunkte in BtW), um sich und andere vor dem Tod zu retten oder Proben neu zu würfeln.

Ist es also einfach ein Mix? Eindeutiges Jein. Von allen drei Klassen sind die Schurk*innen in BtW nichts Besonderes. Ja, sie haben mehr Fertigkeiten, aber die haben die anderen Klassen auch. Sie haben einen mittleren Trefferwürfel, können nicht zaubern und haben auch keine speziellen Fähigkeiten, die ihnen ansonsten im Kampf zum Vorteil gereichen (kein backstab). Das klingt jetzt natürlich sehr negativ. Was können die Schurk*innen jetzt eigentlich?

Antwort: Alles. Erdenklich. Andere.

Schurk*innen in BtW sind mehr eine Charakterschablone, mit der sich jegliche Art von Charakter*innen abbilden lässt, der kein*e strikte*r Zauberwirker*in oder Kämpfer*in ist. Das zeigt sich auch in den Charakterbüchern. Klar gibt es die klassischen Dieb*innen, aber auch Waldläufer*inne, Schausteller*innen und natürlich die Bindestrichcharaktere. Denkbar wären auch ein Gelehrte, Gaukler*innen, Schwindler*innen, Falschspieler*innen, Erfinder*innen, Geschäftsleute und viele mehr.

Beyond the Wall hat es geschafft Schuk¸*innen von seiner ursprünglichen Rolle, als Dieb, zu trennen, ohne ihn in eine neue zu pressen. Er ist eine flexible Charaktersandbox für Spielende, um sich kreativ auszutoben.

Der*die klassische Dieb*in war schon immer meine Lieblingsklasse, ob in Computer- oder Rollenspielen. Aber der*die BtW-Schurk*in hat hohes Potenzial ihnen den Rang abzulaufen.


..ist wohl einer der häufigeren Sätze in klassischen Fantasy- und OSR-Runden. Geäußert von Kämpferinnen, die nicht viel anderes machen können und sollen, aber auch Zauberkundige, die ihr Pulver verschossen, Diebe, die sich unglücklicherweise im Nahkampf wiedergefunden oder Klerikerinnen, die gerade niemandem zum heilen haben, finden sich in der Situation wieder, einfach stumpf draufzuhauen.

Aber ist der gegenseitige Schlagabtausch wirklich alles, was es in solchen Fällen zu tun gibt? Die Antwort modernerer Systeme darauf sind Fertigkeiten und Spezialisierungen, um Kämpfer*innen (und meist nur diese) härter, eleganter und gewitzter zuschlagen zu lassen. Aber brauche ich wirklich Training beim letzten alten Eremiten auf dem Gipfel eines Berges, bevor ich versuche, Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen oder sie mit einem Wrestling-Manöver niederzuringen? Will ich gerade Kämpfer*innen, die die einfachste bzw. am einfachsten zu verstehende Klasse sein sollten, wirklich mit Fertigkeiten und Spezialisierungen überfrachten, nur um keinen stumpfen “Haus-drauf” zu spielen?

Viele OSR-Systeme bieten da mehr Freiheit, indem sie das alles erst gar nicht verregeln. Dieser Ansatz von “everything goes” fördert und fordert natürlich die Kreativität von Spieler*innen und Spielleitung. Eine Konsistenz über mehrere Spielrunden erfordert jedoch pedantische Buchführung und die Spieler*innen sind auf das Wohlwollen der Spielleitung angewiesen, wenn sie bestimmte kreative Dinge im Kampf machen wollen.

Außerdem stehen Spielerinnen vor dem Dilemma entweder Schaden zu machen oder eine andere Kampfaktion zu vollziehen, meist durch eine Attributsprobe bestimmt. Will ich also als Kämpferin wirklich eine Runde “opfern”, keinen Schaden anzurichten, obwohl genau das fett unterstrichen in meiner Jobbeschreibung steht?

“Why not both?” dachten sich wahrscheinlich auch die Leute bei Goodman Games für das System Dungeon Crawl Classics, die, meines Erachtens, eine der besten Lösungen für dieses Dilemma gefunden haben: “Mighty Deeds of Arms”.

Hierbei wird statt eines konstanten Angriffsbonus ein zusätzlicher Würfel zum W20 geworfen, der nicht nur den Bonus bestimmt, sondern bei einer 3 oder mehr auch einen “Mighty Deed”, eine kreative Kampfaktion zulässt, die vorher angekündigt wird, falls der Angriff auch trifft. Dieser “Deed Die” ist anfangs ein W3 und steigt in der Würfelkette mit der Stufe.

Um etwas Ähnliches auch in anderen OSR Settings nutzen zu können, ohne auf nur dafür auf die funky dice für DCC angewiesen zu sein, will ich hier ein einfaches System für “Kreativen Kampf” vorstellen:

Zusätzlich zu einem Angriffswurf können Spieler*innen eine kreative Kampfaktion ankündigen und dafür eine passende Attributsprobe ablegen:

Was sind kreative Kampfaktionen: – gezielter Angriff auf einen bestimmten Körperteil oder Ausrüstungsstück – den Gegner mit einem Tritt umzuwerfen – dem Gegner Sand in die Augen werfen (sofern in Reichweite) – durch manisches Lachen den Gegner in Angst versetzen

Was sind keine kreativen Kampfaktionen: – Angriff mit einer zweiten Waffe – alles, was ausschließlich zusätzlichen Schaden machen würde (was nicht heißt, dass kreative Kampfaktion nie Schaden anrichten)

Spieler*innen würfeln also wie gehabt einen W20 für den Angriff und einen W20 für die Attributsprobe, was vier mögliche Ergebnisse produziert:

  • Angriffswurf und Attributsprobe gelingen
  • Angriffswurf gelingt, aber Attributsprobe misslingt
  • Angriffswurf misslingt, aber Attributsprobe gelingt
  • Angriffswurf und Attributsprobe misslingen

Um ein Gefühl von Risiko und Belohnung schaffen, schlage ich folgende Reaktionen vor:

Proben Angriffswurf gelingt Angriffswurf misslingt
Attributsprobe gelingt Schaden wird angerichtet und Aktion ausgeführt Aktion wird ausgeführt, aber Spieler*in nimmt dabei Schaden
Attributsprobe misslingt Schaden wird angerichtet, aber Gegner bekommt die Gelegenheit zu einer Aktion kein Schaden wird angerichtet und Gegner bekommt die Gelegenheit zu einer Aktion

Das macht diese kreative Kampfaktion zu einem Mittel, welches wenig bis keine zusätzlichen Regeln, Charakter- oder Klassenaspekte benötigt. Die Qual der Wahl zwischen Angriff und Attributsprobe wird beseitigt. Gleichzeitig bleibt natürlich die Möglichkeit, beides separat zu machen, da ein Fehlschläge mit einem erhöhten Risiko einher gehen.