Asset Reset: Das OSgrid wird alle Inventare blank putzen

Daß der Assetserver im OSgrid ein Problemfall ist, ist ja inzwischen allgemein bekannt. Jetzt hat sich herausgestellt, wie kaputt der ist. Die aktuellen Reparaturmaßnahmen, die auch schon seit Monaten laufen, sind immer noch bei nur 20%.

Wenn man etwas anziehen oder anderweitig rezzen will, liegt die Wahrscheinlichkeit, daß es kaputt ist, auch schon mal bei über 50%, wenn man es schon länger hat. Es hat immer geheißen, das ist ein Nebeneffekt erst der Servermigration, jetzt der laufenden Reparatur, das geht in ein paar Monaten vorbei. Stand jetzt würde die Reparatur noch jahrelang so weitergehen.

Also hat sich die Gridadministration zu einem drastischen Schritt entschlossen, dem die kompletten Inventare aller Avatare zum Opfer fallen werden.

18 Jahre Assetsammelei

Wo das Problem liegt, ist identifiziert worden. Erstens ist das OSgrid locker das älteste aller OpenSim-Grids. Diesen Sommer wird es seinen 18. Gridgeburtstag feiern. Bis dahin wollen sie es wohl fit haben.

Aber in 18 Jahren hat sich so einiges an Kram angesammelt. Von diesen ganzen Assets ist zweitens die Mehrzahl nirgendwo mehr in Verwendung. Das sind häufig beispielsweise WIPs oder alte Stände oder dergleichen, Sachen, die so nie als Endprodukte vorgesehen waren. Das können auch Bauten sein, die mal für bestimmte Sims gebaut wurden, aber die Sims gibt’s nicht mehr. Will sagen, eigentlich kann das weg. Natürlich könnte man den Asset-Server manuell bereinigen. Aber der erkennt nur, was in-world gerezzt ist inklusive den Inhalten von Boxen bis zu einer gewissen Tiefe. Was in Inventaren ist, kann dabei nicht berücksichtigt werden.

Drittens und vor allem sind viele Assets schlicht und ergreifend komplett im Eimer. Ich rede hier nicht einfach von Sachen, bei denen Bestandteile fehlen aufgrund der Umschichterei oder die deswegen gänzlich abhanden gekommen sind – wobei das vermutlich auch zum Problem beiträgt, weil diese Sachen noch nicht wieder zusammengefunden haben.

Vielmehr rede ich besonders von Mesh, das aus Second Life geklaut wurde. Das ist ja früher in rauhen Mengen und auch mal entsprechend schlampig importiert worden, vor allem der Beifang vom Copybotten ganzer Sims, der dann in „Stuff“-Boxen landete. Gerade da hat man ja allerhöchstens das Nötigste gemacht und kein bißchen auf Zustand und Qualität geachtet. Solche kaputten Sachen sind es, die den Assetserver vom OSgrid ausbremsen, weil der verbissen versucht, die zu reparieren.

Oben drauf kommen Assets, die etwa seit der großen Wiederherstellungsaktion 2014/2015 nicht mehr in einem Stück sind. Oder solche, die bei Umzügen des Assetservers kaputtgingen, die dann auch nie jemand repariert hat. Oder auch uralte Skripte, die ganz einfach nicht mehr funktionieren. Und dergleichen.

Tiefenreinigung

Nun hat es sich als wenig praktikabel erwiesen zu hoffen, daß das noch irgendwie automatisiert reparabel ist.

Den Leuten zu sagen, sie sollen mal gucken, was sie an kaputtem Kram in den Inventaren haben, bringt auch nichts. Erstens weiß man das nicht unbedingt. Zweitens, wenn es aus dem Inventar gelöscht wird, existiert es als Assets weiter auf dem Server. Und drittens hat gerade das OSgrid Unmengen an Avataren, die schon ewig nicht mehr genutzt wurden. Da kann man nicht hoffen, daß die Eigentümer sich da einloggen und die Inventare händisch pflegen.

Jetzt soll das OSgrid aber wohl bis zum 18. Geburtstag im Sommer wieder fit werden. Also hat man sich vor ein paar Tagen zu einem harten Schnitt entschlossen, der die einzige noch gangbare Lösung ist. Und das ist, den Asset-Server komplett leerzuräumen.

Die Idee ist wie folgt: Die Nutzer sollen ihre Sims als OARs und, sofern sie dafür Land zur Verfügung haben, ihre Inventare als IARs sichern. Später sollen sie die dann wieder einspielen können. Damit soll auch der Asset-Server neu befüllt werden, und zwar nur mit den Assets, die auch wirklich gebraucht werden.

Und so sieht der Plan jetzt aus: Bis zum 21. März sollen die Einwohner des OSgrid ihre Inventare als IARs und ihre Sims als OARs sichern. Dann wird das OSgrid offline genommen. Es soll dann laut Plan eine Woche offline bleiben. In dieser Zeit wird der Asset-Server komplett gelöscht. Danach kommt es wieder online, und die IARs und OARs können wieder hochgeladen werden, wodurch der Asset-Server dann nur mit dem befüllt wird, was auch wirklich gebraucht wird.

Unerwartete Konsequenzen

Ziel des Plans ist es also, daß die OSgrid-Einwohner zurückkehren in ein sehr viel besser funktionierendes OSgrid. Fakt ist aber: Die Administration hat bei den Einwohnern sowieso schon viel Vertrauen verspielt. Mit dem Schritt, allen Einwohnern den kompletten Inhalt ihrer Inventare wegzunehmen, haben sie noch einen draufgesetzt. Sie behaupten zwar, hinterher läuft das OSgrid besser. Aber davor steht für die meisten der Verlust mehrerer Jahre an Arbeit und Contentsuche. Außerdem haben die OSgrid-Admins auch bei den vorherigen Maßnahmen das Blaue vom Himmel versprochen und nicht eingehalten.

Nicht wenige von denen, die Sims ans OSgrid angehängt haben – Land mieten kann man da ja nicht –, exportieren also jetzt schon ihre Sims als OARs, aber nicht, um sie Ende März oder Anfang April wieder ins OSgrid einzuspielen. Statt dessen packen sie die Gelegenheit beim Schopfe und ziehen mit den OARs einfach in andere Grids um. Interessanterweise profitieren davon gerade auch kommerzielle Grids.

Vor allem das Wolf Territories Grid von Lone Wolf wächst gerade wie verrückt. Zunächst einmal ist es ohnehin schon das größte Grid in OpenSim. Vor allem in puncto Fläche hat es das OSgrid schon lange überholt, und das, obwohl man im krassen Gegensatz zum OSgrid keine Sims anhängen, sondern nur Land mieten kann. Und die Wolf Territories gelten nicht gerade als billiges Grid.

Aber man bekommt etwas fürs Geld: Das Grid ist erst drei Jahre alt, wurde aber von vornherein auf immense Größe ausgelegt. Durch eine moderne Architektur und verteilte Server skaliert es wesentlich besser als das OSgrid, das älteste Grid überhaupt – gestartet 2007 –, das in Teilen auf uralter Technologie läuft. Beispielsweise muß man sich im OSgrid wie früher auch im Metropolis Metaversum von 2008 den Papierkorb im Inventar zusätzlich über das Webinterface leeren, und Gruppen im OSgrid funktionieren bis heute nicht über das Hypergrid. Überhaupt konnte das OSgrid nur so groß werden, weil jeder Simbetreiber seine Sims selbst hosten und extern anhängen muß. Und während das OSgrid als Testgelände der Entwicklung auf Vanilla-OpenSim in einer instabilen Bleeding-Edge-Entwicklerversion läuft, setzen die Wolf Territories auf den modernisierten und optimierten Softfork OpenSim Core ++, vormals OpenSim-NGC.

Viele begreifen auch: Wat nix kost’, is’ nix. Das Anhängen von Sims ist im OSgrid immer noch kostenlos – bis natürlich auf das eigene Hosting der Sim, und sei es zu Hause. Das OSgrid finanziert sich nur aus Spenden – zu denen vor allem auf der Lbsa Plaza gleich mehrfach aufgerufen wird – und durch eine jährliche Auktion, zu der kreative Bewohner neue Kreationen spenden, die dann vom OSgrid versteigert werden. Die Einnahmen gehen ausschließlich ans OSgrid, das sie vor allem für seinen maladen Assetserver braucht. Die Wolf Territories haben dagegen durch das Vermieten von Land eine sehr viel stabilere und verläßlichere Einnahmequelle.

Die Wolf Territories lassen IAR-Importe nur in äußersten Notfällen zu; das ist eine Einschränkung. Aber wer mit seinem Land vom OSgrid umzieht, hat auf dem eigenen Land Zugriff auf den Admin Mode, auch bekannt als God Mode, und kann seinem eigenen neuen Avatar in den Wolf Territories auch Sachen direkt zuschicken, die No-Transfer sind. Das heißt: Das Inventar wird Stück für Stück übertragen, zumindest das, was man auch wirklich behalten will und nicht neu beschaffen kann. Da könnte man sogar noch überprüfen, ob es noch intakt ist.

Erwartbare Probleme

Fakt ist nämlich: Jetzt aktuell sind viele Sachen in den Inventaren von OSgrid-Avataren ohnehin kaputt. Häufig fehlen etwa Texturen, weil der Assetserver sie nicht zuordnen kann. Oder die Sachen sind zwar im Inventar eingetragen, aber der Assetserver kennt sie gar nicht mehr.

Das ist übrigens in vielen Fällen durchaus reparabel: Man muß zunächst einmal wissen, in welchem Grid diese Sachen noch intakt sind. Das geht am besten, wenn sie eben nicht aus dem OSgrid kommen, aber auch, wenn man die Sachen auch noch bei einem Alt außerhalb des OSgrid hat. Dann geht man in dieses andere Grid, zieht die im OSgrid defekten Sachen da an bzw. hängt sie an den Avatar und geht zurück ins OSgrid. Ein Weilchen sollte man sie noch anbehalten, dann sollten sie wieder funktionieren.

Zum einen kennt den Trick allerdings fast niemand. Zum anderen: Wer überprüft alle Assets vor dem Versenden an andere Avatare oder gar den kompletten Inhalt des eigenen Inventars vor dem Sichern eines IAR? Gerade bei IARs hat das zur Folge, daß man damit Unmengen an kaputtem Content sichert. Beim Zurückspielen eines IAR kann dafür gesorgt werden, daß Assets, die auf dem Assetserver schon vorhanden sind, nicht neu eingespielt werden, sondern statt dessen auf schon vorhandene Kopien verwiesen wird. Das ist aber kein Default, also wird das kaum jemand machen – es sei denn, im OSgrid oder anderswo machen die Admins das zum Default oder legen es gar fest, falls das gehen sollte.

Ein anderes Problem ist die Informationspolitik des OSgrid. Da setzt man nämlich nicht auf anerkannte freie Standards. Als Einwohner hinterlegt man zwar eine E-Mail-Adresse. Die wird aber nie für Mitteilungen genutzt. Ich selbst habe in knapp vier Jahren nicht eine einzige Mail vom OSgrid erhalten. Es gibt einen Newsletter, aber der wird im offiziellen Blog nur ganz unten erwähnt und verlinkt. Und eine so essentiell wichtige Mitteilung sollte niemals über etwas laufen, was opt-in ist. Ach ja, das Blog scheint keinen Feed zu generieren. Als wäre das noch nicht genug, ist das offizielle OSgrid-Forum mausetot, und alles an Kommunikation inklusive Support wird nur noch über Discord abgefackelt.

Das wird dazu führen, daß diejenigen, die nur selten online sind, von dieser ganzen Geschichte genau überhaupt nichts erfahren. Aber auch wenn man sich ab und an ins OSgrid einloggt, sieht man im Viewer unter „Upcoming Event“ etwas so Vages, daß man eher geneigt ist, es komplett zu ignorieren. Sehr viele Einwohner des OSgrid werden schlicht und ergreifend nichts von dieser ganzen Geschichte erfahren, und zwar gerade auch solche, die sonst aktiv in OpenSim sind, ihren OSgrid-Avatar aber nur selten nutzen. Ab Juni werden dann viele völlig überraschenderweise dastehen mit leerem Inventar, womöglich auch mit leergeputzter selbstgehosteter Sim und schlimmstenfalls ohne jegliche Sicherung.

Aber auch viele aktive Einwohner des OSgrid werden möglicherweise nicht Bescheid wissen. Die offiziellen OSgrid-Informationskanäle verlangen, daß man sich diese Informationen selbst beschafft. Nicht jeder dürfte das tun. Auf OpenSimWorld wurde das Ganze auch nur von einem ganz normalen Nutzer verbreitet und versinkt allmählich auf hintere Seiten. Und wenn man dann auch da nicht oder kaum aktiv ist – außer um gelegentlich eine Veranstaltung anzukündigen – und die eigene Bubble auch nicht Bescheid weiß, dann steht man am Ende auch total überrascht da mit immensen Verlusten an wichtigem, unersetzlichem Content.

Der einzige Hinweis in-world ist ein großes gelbes rotierendes Fragezeichen auf den Plazas im OSgrid. Wenn man es anklickt, bekommt man eine Notecard mit Anweisungen. Aber weder das Fragezeichen selbst noch die Notecard sagt direktweg im Klartext, worum es geht. Das Fragezeichen selbst wirkt noch nicht einmal wirklich interessant; die meisten werden es also ignorieren. Und auch nicht jeder im OSgrid kommt mindestens einmal auf einer der Plazas vorbei.

Es gibt auch eine Varsim, auf der diejenigen Avatare Sachen aus ihrem Inventar in Boxen einlagern können, die kein eigenes Land haben, und die täglich als OAR gesichert wird. Der Standort dieser Sim kann auch nur über dieses Fragezeichen in Erfahrung gebracht werden. Ich weiß auch nicht, ob die Sim für Hypergridder zugänglich ist.

Ein Besuch meiner In-World-Schwester Juno am gestrigen Donnerstag auf der Lbsa Plaza zeigte: Wer nicht gerade ein alter Hase ist, der sich entsprechende Maßnahmen selbst ausknobeln kann, und den offiziellen Informationen selbsttätig folgt, steht dieser ganzen Situation total hilflos gegenüber. So mangelhaft ist die Informationspolitik des OSgrid, vor allem das Vermögen, den Nutzern die Situation in einer Form zu erklären, die nicht nur Entwickler und Administratoren verstehen.

Unschöne Nebenwirkungen

Das Herausschreiben gerade von OARs per Kommandozeile wird auch nur sehr rudimentär erklärt mit dem grundlegendsten möglichen Befehl. Der bewirkt allerdings, daß die Schöpfer und Eigentümer der Objekte auf der Sim nicht mitgespeichert werden. Wenn das OAR wieder eingespielt wird, gehört auf einmal alles auf der Sim demjenigen, der es eingespielt hat, und der ist dann auch der Schöpfer.

Genau das wird denjenigen auf die Füße fallen, die Rezzrechte auf anderer Leute Sims haben. Nach dem Wiedereinspielen des OAR gehören ihnen auf einmal ihre bisherigen Sachen nicht mehr. Da darf sich dann der Sim-Eigner dran machen, mit God Mode womöglich hunderte Objekte jemand anderem zu übertragen, wenn das denn überhaupt geht. Davon bin ich möglicherweise selbst auch betroffen.

Eine andere Nebenwirkung scheint von vielen geradezu herbeigesehnt zu werden – und das ist das Verschwinden von Content, der als veraltet gilt. Für einige fallen darunter schon Mesh-Sachen, die Mitte, Ende der 2010er aus Second Life gestohlen und – im Gegensatz zu Athena – nie überarbeitet wurden.

Ganz besonders beziehen sie sich aber auf den Großteil des legalen Content in OpenSim, insbesondere Layerkleidung. Die kann heutzutage noch sehr nützlich sein – beziehungsweise wieder, seit Bakes-on-Mesh auch in OpenSim angekommen ist. Aber „die Leute“ wollen ja nur die neuesten, besten, heißesten Mesh-Luxusartikel aus Second Life haben. Und wenn beispielsweise massenhaft Layer-Strümpfe und -Strumpfhosen verschwinden – was soll’s? Selfst feinbestrumpfte Damenbeine sind doch nicht annähernd so sexy wie nackte, oder? Das heißt, außer wenn die Strumpfbänder zu sehen sind, weil der Rocksaum noch höher liegt.

Wer sich als weiblicher Avatar für eine schnee- und eisbedeckte Weihnachtssim entsprechend warm anzieht, statt wie üblich mehr Haut freizulegen als nicht, macht in OpenSim ganz augenscheinlich ebenso etwas falsch, wie wer irgendetwas am Avatar trägt, das nicht aus Second Life geklaut ist.

Jedenfalls werde ich versuchen, so einiges an noch nützlicher, schwer zu bekommender Layerkleidung in noch mindestens einem anderen Grid anzubieten, damit sie erhalten bleibt.

Wie wird es weitergehen?

Solange das OSgrid diese Maßnahme noch nicht durchgezogen hat, ist ja auch noch nicht klar, wie es danach mit dem Grid weitergehen wird. Möglicherweise wird es tatsächlich endlich wieder performanter. Aber vor allem angesichts der vielen Nutzer und Sims, die in die Wolf Territories umziehen, wird die große Zeit des OSgrid als der ewige Spitzenreiter in allen Disziplinen vorbei sein. Es wird nicht mehr das größte Grid nach Fläche sein, es wird möglicherweise gar wieder unter die Größe von Second Life fallen. Es wird auch endgültig nicht mehr das Grid mit den meisten aktiven Nutzern sein.

Vielleicht ist das gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, daß das OSgrid ja immer eigentlich eine Testumgebung für die Entwickler war und nur als „Leuchtturmgrid“ so groß geworden ist. Sich auf ein Grid zu verlassen, das eine instabile Entwicklerversion von OpenSim fährt, ist vielleicht nicht die schlaueste Idee.

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