Unternehmen und freie Software: Fragen über Fragen?
Unternehmen, die auf freie Software setzen, auch als Geschäftsmodell, sind keine Seltenheit, im Gegenteil: Ein Großteil der heutigen Entwicklung von Linux, aber auch von Linux-Distributionen wird heute von Unternehmen vorangetrieben, als Endnutzer ist es so gut wie unmöglich, keine kommerzielle Software zu nutzen, selbst, wenn es sich um freie Programme handelt.
Angefangen bei systemd bis hin zu Distributionen wie Ubuntu: Das Verhältnis der Unternehmen und Anwender hat sich festgefahren, es gibt keine Aussicht, dass sich das in absehbarer Zeit ändern könnte – warum auch, immerhin funktioniert das ganze ja irgendwie, die meisten Gemeinschaften bleiben vergleichsweise unabhängig, selbst wenn große Konzerne wie Google oder selbst Microsoft nicht selten zu wichtigen Sponsoren werden.
Eine andere Frage ist aber, inwiefern sich dieses Verhältnis von der rein technischen Ebene auf eine übertragene auswirkt und in welchen Maß sich das zunehmende Einkaufen von Unternehmen in die freie digitale Welt negativ auf diese auswirkt. GNU/Linux hat den Antlitz eines Betriebssystems für Hippie-Hacker über Jahre hinweg gewahrt; dass Großkonzerne wie Red Hat-Besitzer IBM immer wichtiger geworden sind, ist nicht unbedingt sonderlich negativ, oder überhaupt in irgendeiner Weise besonders aufgefallen.
Trotzdem bleibt es für diese Unternehmen unausweichlich, auf kurz oder lang Profit mit ihrer Software, respektive ihren Distributionen zu machen, nicht zuletzt weil man sich dauerhaft gegen die etablierte prorprietäre Konkurrenz beweisen muss und halten möchte. Wenn beispielsweise öffentliche digitale Infrastruktur diskutiert wird, sind Unternehmen, die zumindest Supportlösungen für eingesetzte Software anbieten, so gut wie unumgänglich geworden – dann ist es mir doch lieber, sollten Firmen wie SUSE dahinterstehen, statt Microsoft. Dann ist es mir doch lieber, wenn auf dem Desktop die Distro einer Firma läuft, die auf freie Software setzt, anstatt das Betriebssystem eines Konzerns, der das Konzept unfreier Programmentwicklung maßgeblich mitgeprägt hat.
In seinen Talks geht auch Richard Stallman, seines Zeichens Grüner der freie-Software-Bewegung immer wieder darauf ein, dass das Preisschild, das manche ihrer Software umhängen, eine Nebensächlichkeit ist, solange es sich dabei um freie Software handelt. Und ja, in der praktisch-pragmatischen Realität ist das vermutlich auch richtig, trotzdem frage ich mich, wie es überhaupt zu ener derartig kommerziell geprägten Lage rund um freie Software kommen konnte. Braucht freie Software wirklich dieses Verhältnis von Unternehmen und Kunden? Ist es wirklich nötig, dass kommerzielle Anbieter derartig tief in vermeintlichen Gemeinschaftsprojekten verankert sind, ganz egal ob als Sponsor oder Schirmherr?
Sicher, diese Frage ist vollkommen irrelevant, da das Zusammenspiel kommerzieller und nicht-kommerzieller Akteure sich in Zukunft vermutlich so oder so kaum ändern wird. Trotzdem ist es interessant, diese Frage überhaupt zu stellen: GNU ist nicht aus kommerziellen Interessen heraus entstanden, Projekte wie Debian halten sich bis heute als unabhängige Entwicklergemeinschaften und selbst kommerzielle Distributoren wie SUSE haben mit der Zeit einige Kontrolle der Gemeinschaft überlassen, nicht zuletzt mit Gemeinschaftsprojekten wie openSUSE oder Fedora auf Red Hat-Seite.
Vielleicht ist das Kind also doch nicht in den Brunnen gefallen, vielleicht gibt es gar keinen Brunnen. Vielleicht sollte die Wahl der Distribution oder das Projekt, in dem man mithelfen möchte, in der heutigen Situation doch aufgrund technischer Faktoren und weniger nach streitbaren philosophischen Kriterien ausgewählt werden.
Wie dem auch sei, die Frage an sich stellt sich immer wieder, und wie sich auch das Kräfteverhältnis mittelfristig wenig ändern wird, bleiben wohl auch die spannenden oder bewegenden Fragen, die damit zusammenhängen, erhalten.
Dieser Text von Fabian Schaar ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.