Gedanken zum „FocusWriter“
Anwendungen wie der „FocusWriter“ erwecken in mir immer wieder das Bedürfnis zu schreiben; wenn mir dann aber wieder einmal ein triftiges Thema fehlt, schreibe ich nicht selten einfach über die Anwendung selbst. Was macht den FocusWriter also besonders? Eigentlich ist er ja nur ein aufgeblasener Texteditor mit Hintergrundbild, ein möchtegern Büroprogramm. Doch ist das wirklich so? Bietet der FocusWriter nicht doch mehr, als man vielleicht auf den ersten Blick denken könnte?
Diese Fragen lassen sich nicht mit einem simplen Ja oder Nein beantworten: Man merkt dem Programm an unzähligen Ecken und Enden an, dass es für einen sehr speziellen Anwendungsfall, für eine sehr spezielle und doch nicht näher definierte Zielgruppe entwickelt wird: Mit dem FW wird wohl niemand Code oder Config-Dateien editieren wollen, außer vielleicht die drei Masochisten, die diesen Text hier lesen. :D
Der FW ist nach meiner Auffassung nicht dafür gedacht, herkömmlichen Texteditoren wie Vim oder Emacs den Rang abzulaufen. Daher fällt es auch schwer, die Anwendung mit anderen zu vergleichen. Einerseits lassen sich auch hier altbekannte Funktionen einer klassischen Textverarbeitungssoftware nutzen, andererseits wird FW derartig simpel präsentiert, dass man niemandem einen Vergleich mit einem einfachen Texteditor verübeln kann.
Für mich sitzt der FocusWriter zwischen den Stühlen; weder ist er ein klassisches Büroprogramm, noch ein herkömmlicher Editor. Der FocusWriter richtet sich an Autoren, die viel mit langen Texten zu tun haben und möchte dabei den Fokus wieder auf den eigentlichen Text legen, anstatt auf die Bedienelemente. Alle Menüs sind standardmäßig mit einem intelligenten Ausblenden versehen, so das diese beim eigentlichen Schreiben überhaupt nicht auffallen. Einblenden lassen sich diese nur, wenn man die Maus an die Bildschirmränder schubst; beim Schreiben soll man diese ja eigentlich in Ruhe lassen.
Sicherlich könnte man für diesen Anwendungsfall auch einfach ein Terminal öffnen und Vim starten, die Frage ist aber, ob man das will: Ich zum Beispiel brauche beim Schreiben eine ständige Rechtschreibkontrolle; ich habe keine Lust, einen Text nur wegen etwaiger Rechtschreibfehler noch einmal zu redigieren.
Wenn ich eine entsprechende Funktion in Vim nutzen möchte, ergeben sich für mich einige Nachteile: Einerseits unterlegt Vim Rechtschreibfehler einigermaßen aggressiv, anstatt einer dezenten Linie, die ich mir im FokusWriter auf ein unauffälligeres Grau gesetzt habe, schreit mich Vim regelrecht an, wenn ich einen Tippfehler mache: Vim markiert bei einem Fehler das ganze Wort in einem knalligen rot, was sofort jegliche Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Ein weiteres Problem ist die Universalität von Vim: Wenn ich den Editor sowohl für kreative Texte als auch für herkömmliche Anwendungsbereiche, sprich: Configs und Code, verwenden möchte, komme ich schnell in ein Einstellungsdilemma:
Einerseits möchte ich bei kreativen Texten dauerhaft eine Rechtschreibprüfung eingeschaltet wissen, andererseits stört diese extrem, wenn man englischsprachige Config-Dateien editiert: Wenn ich die Rechtschreibprüfung also in meine Vimrc eintrage, müsste ich in vielen Fällen diese Vorgabeeinstellungen wieder rückgängig machen. Wenn ich nichts eintrage, müsste ich in vielen Fällen zwei Parameter setzen, bevor ich anfangen kann. Das liegt in der Natur dieser Einstellungen, kann aber auch sehr schnell sehr nervig werden.
Auch die grafischen Texteditoren der verschiedenen grafischen Oberflächen sind in dieser Hinsicht nicht der Weisheit letzter Schluss: Einerseits sind diese häufig vollkommen überfüllt mit Knöpfen, Untermenüs und Optionen, die um die Gunst verschiedenster Entwickler zu buhlen scheinen; andererseits bieten sie wenige Funktionen, die sich konkret an Autoren richten. Sicherlich könnte ich meine Texte auch in Kate, Mousepad oder Plume schreiben — die Frage ist nur, ob ich das auch möchte.
Ich jedenfalls finde den Ansatz, den der FocusWriter verfolgt ziemlich ansprechend, vielleicht liege ich damit auch genau in der Zielgruppe der Anwendung. Unterm Strich sollte aber klar sein: Wenn man den FocusWriter nutzen möchte, stehen alle Türen offen, die Anwendung ist natürlich freie Software, veröffentlicht unter der GPL.
Und wenn man für sich selbst keinen sinnvollen Anwendungszweck darin finden kann, ist das auch vollkommen in Ordnung: Jedem das seine. :)
Dieser Text von Fabian Schaar ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.