Gedanken zum Fediverse, Teil zwei

Das Fediverse lässt sich nicht an einem Abend verstehen, sondern ist ziemlich verstrickt — und genau das macht es aus, genau das ist sein Vorteil. Das Fediverse bietet immer wieder etwas neues, was es zu entdecken gilt, immer wieder einen neuen Dienst, immer wieder eine neue Möglichkeit, mit anderen in Kontakt zu treten, das ist wirklich schön, stellt für mich aber auch ein großes, interessantes Rabbit-Hole dar.

Früher hatte ich mal Accounts bei Twitter, Instagram und Tumblr, mittlerweile habe ich alle gelöscht — meine digitale Privatsphäre hat es mir gedankt. Trotzdem nutze ich im Moment so viel Social Media, wie selten davor, zumindest was Micro- und Macro-Blogging angeht. Allerdings gibt es jetzt einen gravierenden Unterschied für mich: Ich nutze soziale Netzwerke auf einmal gern!

Schon vor einigen Monaten habe ich auf meinem etwas seriöseren Blog einen Text mit dem Titel “Reddit — Demokratie im Internet” veröffentlicht, zu lesen gibt es den hier. Darin habe ich kurz angerissen, wie falsch die Bezeichnung “sozial” für Netzwerke wie Twitter oder Facebook passt. Als ich den Text geschrieben habe, hatte ich zwar schon etwas mit Mastodon zu tun, habe die Plattform damals aber eher verhalten genutzt und von den größeren Zusammenhängen des Fediverse eigentlich keine Ahnung gehabt.

Der Einstieg ins Fediverse kann meiner Meinung nach schwerfallen, wenn man nicht weiß, wem man denn folgen soll: Anfangs folgt man vielleicht dem Admin des genutzten Servers, ein paar Leuten vom Server und das wars. Wenn man aber einmal ein paar Leute gefunden hat, denen man gerne folgt, füllt sich der Feed ziemlich schnell mit Inhalten, die dann umso interessanter sind, weil man sie ja selbst ausgewählt hat — und eben nicht den Vorgaben eines Daueralgorithmus folgt.

In diesem Zusammenhang finde ich es wichtig, sich bewusst zu machen, dass der Algorithmus nicht der Freund des Nutzers ist, der ihn scheinbar besser kennt als er sich selbst. Nein, der Algorithmus ist zugleich das Werkzeug als auch das Produkt der Aktivitäten des Unternehmens hinter dem jeweiligen kommerziellen proprietären “Dienstes”. Damit ist ein solcher Algorithmus eigentlich der Endgegner der digitalen Privatsphäre, verhindert er doch auch, dass die Nutzerin selbst über die angezeigten Inhalte entscheidet.

So betrachtet ist das Fediverse sehr, sehr anders — und das ist gerade in Zeiten wichtig, in denen die digitale Selbstbestimmung ein hohes Gut sein sollte, bei vielen aber ein rares geworden ist. Für mich jedenfalls können so auch die anfänglichen Startprobleme mit der Zeit sehr einfach überwunden werden. Ganz allgemein ist zumindest für mich klar: Das Fediverse hat extrem viel Potenzial, allerdings liegt es an seinen Nutzer:innen, dieses auszuschöpfen.

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Dieser Text von Fabian Schaar ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.