Das große Gridsterben 2022, Teil 1

Dieses Jahr verschwinden irgendwie auffallend viele bekannte Grids. Zu den Opfern der ersten Jahreshälfte zählen mindestens zwei der fünf ältesten Grids.

Anettes Welt

Am 25. Januar gegen 10.00 Uhr morgens verschwand Anettes Welt von der Bildfläche. Eine Ankündigung gab es nicht. Die Gridbetreiberin war vorher schon tagelang nicht mehr zu erreichen. Das Grid selbst lief auf einer uralten Arriba-Version.

Nicht nur verschwanden dadurch einige interessante Sims, darunter die beiden alten Atlantis-Freebie-Malls, sondern die Carima-Rollenspielgruppe verlor ihr Zuhause und ihre Kreationen der letzten Jahre. Sie starteten letztlich ihr eigenes Grid und bauten alles wieder auf mit einer Sicherung von Metropolis von vor einigen Jahren.

Bis heute ist nicht bekannt, was hier vorgefallen ist.

Virtual-Dream und FrancoGrid

Im Februar gingen binnen einer Woche zwei französische Grids zugrunde.

Erst erwischte es Virtual-Dream. Irgendjemand hatte an der Asset-Datenbank händisch herummanipuliert und sie so beschädigt, daß das Grid nicht mehr zu retten war. Zum 20. Februar wurde es offiziell beerdigt.

Kurz darauf starb mit dem FrancoGrid eines der fünf ältesten Grids im Hypergrid. Es sieht so aus, als wäre das Grid seit Anbeginn, also 2010, auf demselben Server gelaufen, der nach zwölf Jahren Dauerbetrieb seinen Geist aufgab. Die Daten auf diesem Server konnten seitens des Webhosters nicht gerettet werden. Ein Backup schien es seit irgendwann 2020 auch nicht zu geben, schon gar keines, mit dem das Grid bei einem anderen Provider hätte wiederauferstehen können.

Im Falle des FrancoGrid zeichnete sich die Misere schon lange vorher ab. Das Grid funktionierte kaum mehr richtig. Alle Augen waren auf die Admins gerichtet, und man hoffte, daß die das Problem beheben könnten. Daß die Hardware beim Webhoster, auf der das Grid lief, im Sterben lag, war nicht die offensichtlichste Erklärung.

Letztlich erwies es sich aber als Glück, daß die Probleme des FrancoGrid nicht aufhörten. Diese brachten nämlich zwei der wichtigsten Gridbewohnerinnen dazu, rechtzeitig umzuziehen, will sagen, noch 2021. Zum einen war das Thirza Ember, die langjährige Organisatoren der HG Safari, die kurz nach ihrem Umzug ins OSgrid neue Safaris für 2022 ankündigte. Zum anderen war das die Künstlerin Cherry Manga, die im noch jungen CopyKat ein neues Zuhause fand.

Soloton und Phaandoria

Zumindest sollten die nächsten Gridschließungen nicht aus heiterem Himmel kommen.

Wohl nur im Buschfunk angekündigt, das aber schon ziemlich lange vorab, waren die Schließungen von Soloton und Phaandoria im April. Als Spike Sol ihr selbstgehostetes kleines Grid herunterfuhr, verschwand damit leider auch der Weltraumbahnhof, ein umfassender Teleport-Hub. Zwar funktionierten etliche der Teleporter nicht mehr – vermutlich kam dahingehend schlicht und ergreifend nie Besucher-Feedback bei Spike an –, aber von denen, die funktionierten, führten einige zu interessanten Sims, die auf OpenSimWorld nicht gelistet waren.

Von Phaandoria konnte zumindest die Clutterfly Extension gerettet werden, die jetzt in Dereos zu finden ist. Aktuell scheint das Grid noch online zu sein; ich habe jedenfalls erst kürzlich Phaandor, den Gridchef, auf einer Party getroffen.

Fibia-Origin und Neros

Im April schlossen gleich noch zwei weitere französische Grids, Fibia-Origin und Neros. Über die Umstände ihres Endes kann ich allerdings nichts sagen, ich erfuhr davon auf Hypergrid Business.

Great Canadian Grid und Nextlife-World

Anfang Mai kündigte Roddie Macchi an, sein Great Canadian Grid zum Ende des Monats wieder zu schließen und nach Second Life zurückzukehren. Schon 2019 hatte er das Great Canadian Grid geschlossen, und zwar noch vor dem angekündigten Termin, so daß viele keine Chance hatten, ihre Daten zu sichern.

Wenige Tage später kündigten Achim und Dina Twisterling an, zum selben Termin Nextlife-World zu schließen. Gesundheitliche Probleme standen dem Weiterbetrieb im Weg. Das Grid schloß letztlich schon vor Monatsmitte, weil der Hostingvertrag auslief. So ein vorzeitiges Ende kannte die OpenSim-Community schon ausgerechnet vom Great Canadian Grid, das aber seinen Zeitplan einzuhalten gedenkt.

Metropolis

Heute erfuhr ich indirekt davon, daß das zweitälteste und einstmals eines der größten aller Grids seinen Betrieb einstellt: Metropolis wird zum 30. Juni schließen.

Sadly, We have to announce to you that Metropolis Metaversum will shut down forever at 30th of June 2022

IF you have items in your Inventory and / or on this Grid which you want to keep, please get them together, and transfer them to another “you” in another Grid.

There is a Landmark to a Rezzable region in OSGrid provided. which will be delivered to your Inventory.

After 30th of June 2022, You are unable to get into your Inventory nor to your items on this Grid.

Ich glaube, die meisten trifft diese Nachricht nur halb überraschend.

Einerseits begann der schleichende Tod von Metropolis schon, bevor ich dort am 30. April 2020 meinen ersten Avatar registrierte. Damals schon war das Grid größtenteils wie ausgestorben, auch weil dort keine Events stattfanden. Dabei hat die Landesim eine spektakuläre eingebaute Eventlocation. Außerdem hatte das Grid damals schon häßliche Bugs – schon Teleportieren innerhalb des Grid konnte einen nach einiger Zeit zum Relog zwingen, weil irgendetwas nicht mehr funktionierte.

Mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Ein Umbau des Webauftritts wurde angefangen, aber nie beendet, so daß die Navigation bis heute eine einzige Katastrophe ist. Das Impressum läuft immer noch über die alte hypergrid.org-Domain, deren SSL-Zertifikat abgelaufen ist, die aber von HTTP nach HTTPS zwangsumleitet; es ist also nicht erreichbar.

Das alte Forum wurde „geschlossen“, will sagen, der Zugang über die Startseite geht nicht mehr (das Forum existiert derweil immer noch). Ein neues Forum wurde angekündigt, kam aber nie.

Events gibt’s schon lange und weiterhin keine mehr. Ich glaube bald, viele trauten sich nicht mehr, Events in Metro stattfinden zu lassen, weil sie kein Vertrauen mehr in die Stabilität des Grid hatten. Auch der grideigene Radiostream ist schon lange mausetot.

Mehr und mehr bekannte Sims schlossen oder zogen um, so daß von den wenigen noch belegten Teleportern auf der Landesim längst nicht mehr alle funktionieren. Neovo Geesinks kongeniale ChangeRooms sind beispielsweise jetzt im OSgrid.

Metros Landfläche von immerhin noch über 800 Standardregionen kommt zu mehr als einem Viertel von den Überresten des DUNE-Projekts: 2020 gab es schon eine Art Riesen-Sandbox, die von Grideinwohnern dauerhaft bebaut werden können sollte, namens DUNE. Dann kamen noch – wenn ich mich nicht irre – fünf weitere davon dazu. Nur Wochen später aber wurde das DUNE-Projekt komplett gestrichen, weil zu teuer. Die riesigen Varsims aber hat man nicht gelöscht.

Schwer zu sagen, was den Rest der Fläche ausmacht. Allerdings ist Metro seit 2020 stark geschrumpft. Allein vom März zum April sind über 60 Standardregionen verschwunden.

Auch die Belegschaft läßt sich nicht mehr blicken. Früher saß meistens irgendjemand auf der Landeplattform, auch um Leute zu begrüßen, ähnlich wie auf der Lbsa Plaza im OSgrid. Ich habe da schon seit Monaten niemanden mehr gesehen, auch nicht, daß eine der Kontaktpersonen als online angezeigt gewesen wäre.

Schon seit etlichen Monaten ist keine einzige offizielle Metro-Sim mehr auf OpenSimWorld aktiv. Die wurden aber nicht etwa gelöscht, sondern allem Anschein nach sind die Beacons ewig nicht zurückgesetzt worden. Vom eigentlich größten und ältesten aller deutschsprachigen Grids ist nur noch eine einzige lumpige Sim auf OSW zu finden: die Pfalz.

Will sagen: Einerseits ist Metro eigentlich schon lange untot, und auf so manch einer Party war es schon ein Running Gag, sich zu wundern, daß Metro immer noch läuft.

Andererseits aber verwundert es, daß dieses sieche Grid jetzt tatsächlich eingeschläfert werden soll. Man hatte wirklich den Eindruck, als ginge das bis in alle Ewigkeit so weiter.

Ich schätze, es war zum Schluß zum einen ein mächtiges Verlustgeschäft. Metro hatte eine der höchsten Sim-Mieten im Hypergrid und kündigte 2020 sogar ab, die Monatsgebühren für eingehängte, extern gehostete Sims von 1,50 € auf 10 € zu erhöhen – woanders hätte man dafür eine Einzelregion mieten können. Weil das Grid aber immer weiter schrumpfte, fehlen die Einnahmen. Neue Avatare kommen wohl auch nicht mehr viel dazu, und von denen zahlen vermutlich kaum welche den Euro zur Verifizierung, so daß die Einnahmequelle auch fehlt.

Es ist eher verwunderlich, daß das Grid so lange finanziell tragbar war.

Zum anderen ist da der Sanierungsstau. Eine nennenswerte Tech-Administration scheint Metro schon lange nicht mehr zu haben, wenn man sich die Bugs ansieht. Die Website ist seit fast zwei Jahren halb ein Labyrinth, halb kaputt und völlig uninformativ. Wenn sich um das Grid mitsamt Drumherum eh keiner mehr kümmert, dann kann man es eigentlich auch schließen.

Wenigstens gibt es eine Ankündigung mit mehr als einem Monat Vorlauf – sofern Metro sich dran hält und den Stecker nicht vorzeitig zieht. Ich befürchte aber, viele werden die nie bekommen, wenn sie sich nicht mindestens einmal im Monat einloggen. Denn die Gridbetreiber scheinen keine Kommunikationskanäle mehr außerhalb des Grid zu haben. Wer also tatsächlich leichtsinnig genug ist, seinen Metro-Alt als Lager oder Backup zu benutzen, könnte sich ziemlich wundern.

Nichtsdestotrotz ist es ein Jammer, was aus diesem einst so stolzen und wichtigen Grid geworden ist. Man wird sich an Metro nicht mehr als solches, sondern – man kann schon fast sagen – als Ruine eines Grid erinnern.

#OpenSim #Grid #DasGroßeGridsterben2022