Kommentar zu Mastodon und Twitter
Stand heute bin ich seit ungefähr 2 Wochen aktiv auf Mastodon unterwegs und habe meine Anwesenheit auf Twitter dementsprechend massiv verringert. Anders als bei meinen bisherigen Erfahrungen auf Mastodon – vor dem ganzen Chaos um den reichsten Idioten der Welt und seinen unfreiwilligen Kauf der relevantesten Microblogging-Seite des Internets – fühlt sich die Nutzung von Mastodon jetzt merkbar anders an; das Mammut ist zum Leben erwacht.
Noch vor einigen Monaten, als die Kontroverse um den möglichen Twitter-Kauf den für den Notfall geplanten Wechsel zu Mastodon erstmalig als Thema herbeiführte, waren viele noch nicht überzeugt genug, dass sich der Wechsel wirklich lohnt. Zwar sind damals schon die Nutzerzahlen Mastodons stark gestiegen, aber diese Welle flachte schnell wieder ab, als es auch in den Medien wieder ruhiger um Musk wurde. Viele haben sich auch nur bereits als Präventivmaßnahme eine Präsenz in diesem neuen Netzwerk angelegt, um später dann auf diese zurückgreifen zu können, wenn der Fall der Fälle wirklich eintritt.
Und ja, wie soll ich es sagen: Mastodon erfährt seit den chaotischen Zeiten auf Twitter ein rasantes Wachstum an Nutzern und zu meiner Begeisterung scheint sich das neue Netzwerk besonders auch im deutschsprachigen Raum durchzusetzen. Selbst die sonst nicht gerade als sonderlich experimentierfreudig und modern wahrgenommenen öffentlichen Informationskanäle und Social Media Präsenzen vieler Ämter, Behörden und Ministerien sind sogar schon auf Mastodon vertreten. Außerdem haben sich auch einige bekanntere Persönlichkeiten dort bereits niedergelassen und erproben sich an der spannenden und interessanten neuen Welt der föderierten und dezentralisierten Plattformen.
Und was heißt das jetzt für mich?
Ich konnte an mir selbst beobachten, dass durch die aktive und (vor allem verglichen mit Twitter) sehr freundliche Umgangsweise auf Mastodon es mir dort immer besser gefällt. Der große und nach wie vor weitergehende Nutzerzuwachs verstärkt diesen Effekt umso mehr. Zugegeben, ich habe auf Twitter vor allem technische und politische Neuigkeiten verfolgt und manchmal auch kommentiert, durch den großen Anteil an technisch begeisterten Early Adoptern und Datenschutzliebhabern auf Mastodon bin ich dort natürlich direkt inmitten meiner zwei Lieblings-Themen gelandet.
Was ich auch beobachten konnte ist, dass ich je länger ich Mastodon aktiv benutze immer weniger das Bedürfnis habe, auch Twitter zu öffnen und dort zu schauen, was gerade abgeht. In den ersten Tagen habe ich beide Apps und Websites quasi noch 50/50 genutzt, jetzt habe ich bemerkt, dass ich seit mindestens 5 Tagen die Twitter-Website nicht mehr geöffnet und die App mit dem blauen Vogel sogar schon deinstalliert habe. Ich fühle mich auf Mastodon einfach wohler.
Besonders gut gefällt mir auch folgendes: Trotz einer vielfach geringeren Zahl an Followern wird dort vielfach mehr interagiert. Das liegt bestimmt auch primär daran, dass es keinen Algorithmus gibt, der mir maßgeschneiderten Content zuspielt, sondern dass das, was ich auf meiner Timeline sehe auch das ist, was ich sehen will, weil ich den Personen selbst gefolgt bin. Außerdem ist alles dort chronologisch, wie in den guten alten Zeiten bei Twitter auch.
Mögliche Probleme
Mastodon ist trotz allem, was ich bis hierhin schon lobend erwähnt habe auch nicht perfekt. Es gibt ein paar Dinge, die problematisch werden könnten, vor allem auf längere Sicht. Eines dieser möglichen Probleme ist die fehlende Professionalität auf den meisten Instanzen. Natürlich, es ist ein großer Vorteil wie man gerade an Twitter erkennt, wenn ein Soziales Netzwerk nicht von einem gewinnorientierten Konzern geführt wird. Da bei Mastodon jedoch jeder der dies möchte seine eigene Instanz betreiben und für andere zugänglich machen kann (das ist der Sinn hinter dem Fediverse und der Dezentralisierung/Föderation), hat das zur Folge, dass die meisten Serverbetreiber und Moderatoren einfache Privatpersonen sind, die diese wichtige Aufgabe in ihrer Freizeit, quasi als Hobby, durchführen. Das ist kein Problem, solange die Instanzen eine Größe beibehalten, in der sie keine großen Kosten verursachen und sich leicht moderieren lassen, aber es wird zu einem Problem, wenn es für die Privatperson zu viel wird. Was macht man, wenn man sich den Betrieb des Servers nicht mehr leisten kann, oder mit dem Moderieren problematischer Beiträge nicht hinterher kommt?
Das ist für das Netzwerk als Gesamtes betrachtet kein Problem. Wird eine Instanz nicht aktiv moderiert und es kommt zu viel fragwürdiger Content von dort, so steht es jedem anderen Serverbetreiber frei, diese Instanz auf eine Blacklist zu setzen und die Föderation mit ihr zu beenden. Eine etwas brutale Methode, aber nicht ungewöhnlich, wie der Fall Gab anschaulich zeigt. Geht die Instanz hingegen pleite, können die Nutzer (solange der Server noch läuft) ihren Account einfach auf eine andere Instanz “umziehen”, inklusive ihrer Follower und gefolgten Accounts. Die bisherigen Posts gehen zwar dabei verloren, aber immerhin verliert man seine Bubble dadurch nicht.
Fazit
Ich bleibe erstmal dabei: Mastodon > Twitter. Und daher werde ich auch fürs erste weiterhin auf Mastodon aktiv bleiben und Twitter ignorieren. Das darf ruhig auch als ein erneuter Aufruf an meine Twitter-Bubble gelesen werden, Mastodon eine Chance zu geben und den Sprung ins Fediverse zu wagen. Macht euch einfach einen Account auf einer Instanz, die euren Interessen am besten entspricht (bitte nicht auf mastodon.social!!). Es ist weit weniger kompliziert als es auf den ersten Blick aussieht und man findet sich nach kurzer Eingewöhnungsphase schnell zurecht. Mein aktiv genutzter Account dort ist @MarcRnt@sueden.social.
Der Vogel ist tot. Lang lebe das Mastodon.